Merken

Tristesse statt Erotik

Das frühere Buchgeschäft an der Bischofswerdaer Bahnhofstraße bleibt leer. Doch was wird aus dem Haus?

Teilen
Folgen
© Thorsten Eckert

Von Gabriele Nass und Ingolf Reinsch

Kein Champagner. Keine Girls. Kein Verwöhn-Ambiente. Was viele in Bischofswerda vermutet hatten, bestätigte sich jetzt auf Anfrage der SZ: Im ehemaligen Buchgeschäft an der Bahnhofstraße eröffnet kein Erotik-Etablissement. Für das vor zwei Jahren geschlossene Geschäft gibt es keinen Mieter, sagte der Hauseigentümer. Und er plant auch nicht, das Geschäft wieder zu vermieten.

Genehmigte Vergnügung?

Auf Handzetteln, die von außen an die Schaufensterscheiben geklebt waren, hatte ein „Libido-Team“ für den 25. Februar zur Eröffnung eingeladen. Eine Gewerbeanmeldung dafür liegt der Stadt nicht vor, sagte Ordnungsamtsleiter Tobias Semmer. Darüber hinaus ist fraglich, ob ein Erotik-Tempel in der Innenstadt überhaupt genehmigt würde. Mit dem Swingerclub, den es an der Neustädter Straße am Stadtrand gegeben hatte, könne man die Innenstadtlage nicht vergleichen, so der Ordnungsamtschef. Der Name „Erotik-Etablissement“ sehr breit gefasst – und vom Baurecht nicht definiert. Ein Beate-Uhse-Laden etwa würde im Baurecht als „Verkaufsstätte für Waren des täglichen Bedarfs“ durchgehen und dürfte genehmigt werden, sagt Gernot Schweitzer, Sprecher des Landratsamtes. Eine „Vergnügungsstätte“ inmitten der Innenstadt wäre in Bischofswerda dagegen baurechtlich nicht zulässig.

Wer auch immer hinter dem Libido-Team stecken mag – die Leute haben Witz, Esprit und ein Ziel möglicherweise erreicht. In der Stadt wurde über das Haus an der Bahnhofstraße in den vergangenen Tagen viel mehr als sonst gesprochen. Vielleicht wollten die Autoren des Flyers auch gerade das provozieren.

Ratten im Hof

Denn das Gebäude an einer der wichtigsten Geschäftsstraßen ist in einem erbärmlichen Zustand. Die beim Auszug der Thalia-Buchhandlung an die Schaufenster geklebten Papierbahnen hängen herunter. Von der Fassade bröckelt der Putz. Im Mauerwerk sind Risse. Nachbarn berichten, durch das Dach auf der Hofseite regnet es rein. Vermutet wird, dass das Mauerwerk vom Schwamm befallen ist. Im Sommer tummeln sich Ratten im Hof.

Eigentümer des Gebäudes ist eine österreichische Immobiliengesellschaft, das Unternehmen Conwert Immobilien Invest SE. Conwert erwarb das Haus 2006 im Paket von zehn Häusern in Sachsen, die der Handelskette „Buch & Kunst“ gehört hatten. Neun dieser Häuser sind verkauft, sagte Regionalmanager Ronny Mergner auf Anfrage der SZ. Für das Haus in Bischofswerda wird noch ein Käufer gesucht. In der Vergangenheit gab es mehrere Besichtigungen von Interessenten, doch kaufen wollte keiner. Aktuell gibt es keine Kaufinteressenten, sagt Ronny Mergner. Angesichts des Zustandes würde man die Immobilie „für unter 10 000 Euro“ abgeben.

Schandfleck ärgert die Anwohner

Aufgrund der Verkaufsabsicht will Conwert das Haus weder sanieren noch im Gebäude investieren. Einmal im Quartal schaue ein Hausmeister nach dem Rechten, sagt Ronny Mergner. Wobei sich die Kontrolle nur auf einen visuellen Check beschränkt. Im Haus selbst könne nichts passieren. Sämtliche Medien sind abgestellt, sagt der Vertreter der Eigentümergesellschaft. Dem Hinweis, dass es durchs Dach hineinregnet, wolle man nachgehen.

Für viele Bischofswerdaer, die täglich vorbeigehen, ist das Haus ein Ärgernis. Die Behörden sehen dagegen keine Möglichkeit, gegen den Zustand einzuschreiten, so lange keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht. Ordnungsamtsleiter Tobias Semmer verweist auf die Bauaufsicht des Kreises, in dessen ausschließliche Zuständigkeit eventuelle baurechtliche Auflagen fallen würden. Das Landratsamt räumt zwar ein, das Haus sei „rein optisch ein Schandfleck“. „Es weist aber nach unserem Kenntnisstand keine baulichen Mängel auf, die eine öffentliche Gefährdung darstellen. Aus unserer Sicht besteht daher derzeit kein Handlungsbedarf. Diese Auffassung wird auch durch das Ordnungsamt der Stadt Bischofswerda geteilt“, sagt Gernot Schweitzer.

Viele in Bischofswerda stellen sich die Frage, ob das Gebäude überhaupt noch zu retten ist – und welche Auswirkungen auf die Nachbarhäuser ein eventueller Abriss hätte. Aber auch in dieser Frage hält das Landratsamt den Ball flach: „Für Abbruch und Ersatzneubau gab es im Altmarkt-Areal bereits in der Vergangenheit mehrere Beispiele – die Häuser, in denen sich die AOK und das Enjoy befinden“, sagt Gernot Schweitzer. Die Sicherungsmaßnahmen im Fall eines Abrisses wären in jedem Fall aber aufwendig. Bislang ist das nur eine hypothetische Vorstellung. Besser wäre es natürlich, das Haus an der Bahnhofstraße bleibt erhalten. Ein Wettlauf gegen den Verfall und gegen die Zeit.