Merken

Trend zum Zweiten

Warum wollen immer mehr Dresdner Eltern ein zweites Kind? Ein Forscher verrät, was an der Stadt so besonders ist.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Nora Domschke

Liebevoll streichelt Luisa dem kleinen Anton über das Köpfchen. Die Dreijährige ist überglücklich, dass ihr Bruder nun endlich auf der Welt ist. Tagelang fieberte Luisa auf den großen Moment hin – an diesem Dienstag war es dann so weit. Jetzt wiegt Mama Annette Härtwig Anton vorsichtig in ihren Armen, Papa Stefan hält seine Hand. „So haben wir es uns immer gewünscht – ein Mädchen und ein Junge“, sagt er. Dass es zwei Kinder sein sollen, stand schon vor der Geburt von Luisa fest.

Immer mehr Familien entscheiden sich für ein zweites oder drittes Kind. Kamen 2009 statistisch gesehen noch 1,4 Babys auf eine Frau im gebärfähigen Alter, sind es heute schon deutlich über 1,5. Damit folgt die Familie aus Gruna dem Dresdner Trend. In der aktuellen Bürgerumfrage geben mehr als 70 Prozent der Familien mit Kindern an, dass sie weiteren Nachwuchs planen. Im vergangenen Jahr sind insgesamt 6 429 Dresdner Kinder geboren worden. Zum zweiten Mal in Folge geht der Titel „Geburtenhauptstadt Deutschlands“ nun trotzdem wieder an Leipzig – dort waren es 6 873 neue Bewohner. Dennoch sind auch die Dresdner Krankenhäuser mit den anhaltend hohen Geburtenzahlen gut ausgelastet.

Allein im Uniklinikum kamen im vergangenen Jahr 2 809 Kinder zur Welt – 2015 waren es 2 521. Im Schnitt werden in diesem Krankenhaus zwischen 190 und 270 Babys monatlich geboren. Allerdings kommen auch viele Familien aus dem Umland ins Uniklinikum, sagt Sprecher Holger Ostermeyer. Dennoch zeigen die Zahlen: Der Geburtenboom in der Region hält an.

Doch woran liegt das eigentlich? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Jahren auch Dresdner Wissenschaftler. Einer von ihnen ist Karl Lenz, Mikrosoziologe an der TU Dresden. „Die hohen Geburtenzahlen sind vor allem damit zu erklären, dass Dresden eine sehr junge Stadt ist“, sagt er. Das Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre. Die meisten Frauen bekommen ihre Kinder im Alter zwischen 20 und 35 Jahren – und davon leben in Dresden besonders viele. „Das hängt stark mit den Hochschulen und den anschließenden Jobmöglichkeiten zusammen“, erklärt Lenz. Dazu komme die gute Betreuungssituation für den Nachwuchs. Die Stadt kann allen Eltern einen Platz in Kindertageseinrichtungen oder in der Tagespflege anbieten. „Das ist besonders entscheidend dafür, ob sich der Kinderwunsch realisieren lässt. Der garantierte Kitaplatz gehört somit zu den wichtigsten Kriterien für Eltern.“ Das bestätigen auch Annette und Stefan Härtwig. Weil die Krippen- und Kitaplätze für beide Kinder gesichert sind, kann Annette Härtwig nach eineinhalb Jahren Elternzeit wieder arbeiten gehen. Allerdings in Teilzeit. Das ist ein Modell, dass auch andere Familien für sich wählen, um genug Zeit für die Kinder zu haben. Sofern sie es sich leisten können.

Weil Stefan Härtwig einen gut bezahlten Job hat, konnte sich die Familie 2011 eine Eigentumswohnung in Gruna kaufen. Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut hat. Eines der größten Probleme – nicht nur für kinderreiche Familien – sind in Dresden die hohen Mieten. Preiswerte Vier- und Fünfraumwohnungen sind sehr gefragt, und deshalb nur schwer zu haben.

In den nächsten Wochen wird die SZ der Frage auf den Grund gehen, wie familienfreundlich Dresden wirklich ist. Dresdner Familien werden berichten, wie langwierig die Suche nach einer größeren Wohnung ist und zu welchen ungewöhnlichen Tricks sie dabei mittlerweile greifen.

Mütter erzählen außerdem, wie sie den Spagat zwischen Job und Kinderzeit schaffen, und Väter, welche Rolle sie heute im Familienalltag spielen. Aufgrund von unflexiblen Arbeitszeiten werden auch Großeltern in der Kinderbetreuung immer mehr gebraucht, holen die Enkel vom Kindergarten ab oder machen mit ihnen Hausaufgaben. Außerdem erzählen Alleinerziehende, wie schwer es ist, den Alltag mit Kindern solo zu stemmen, vor allem finanziell. Ein Kinderpsychologe verrät, ob Eltern ihre Schützlinge schon ab der ersten Klasse allein auf den Schulweg schicken sollten, wie sinnvoll zum Beispiel eine Ergotherapie ist und was Kinder tun sollten, wenn sie auf der Straße von Fremden belästigt werden.