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Trauschein ohne Ehe

Steffen und Thomas Wunderlich haben gerade in Görlitz geheiratet. Auf die Ehe müssen sie aber noch warten.

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© privat

Von Sabine Ohlenbusch

Ein Armeeauto mit Luftballons in Rosa und Lila war am Montag der Hingucker auf dem Untermarkt in Görlitz. Wer zur richtigen Zeit vorbeiging, konnte zwei junge Männer und ihre zahlreichen Gäste antreffen. Denn Steffen und Thomas Wunderlich haben sich getraut: Anfang der Woche haben sie ihre Partnerschaft offiziell eintragen lassen. Damit haben sie noch keine Ehe geschlossen. Das ist erst in ein paar Monaten möglich.

Das ungewöhnliche Gefährt hat sich Steffen Wunderlich gewünscht. „Ich habe immer gesagt, ich will eine Kutsche – aber groß und ohne Pferde“, erzählt er. Der Hausmeister des Restaurants Bürgerstübl, wo Steffen arbeitet, hat ihnen den Wagen für die Feier gegeben. „Für uns war auch von vornherein klar, dass die Farben der Hochzeit rosa und lila sein müssen – fürs Klischee.“ Das galt für Kerzen, Blumen und die Hemden der beiden. Aber nur für die Feier. Sonst kleiden sie sich eher in Schwarz und Weiß, berichten sie – wie viele in der Gastronomie. Das Motto für die Feier war „Einfach Wunderlich und anders.“ Wunderlich ist jetzt auch der gemeinsame Nachname.

„Wir wollten einfach eine riesige Party feiern“, beschreibt Thomas ihre Planungen. Und das sei auch gelungen: Die Vorräte an Schnaps und Bier hätten die Gäste komplett geleert, Sekt und Weißweinschorle blieben stehen.

Dass eine gleichberechtigte Ehe für alle überhaupt möglich sein wird, hat der Bundestag erst Ende Juni als Gesetz verabschiedet. Am Freitag hat auch der Bundespräsident seinen Segen dazugegeben. So wird es vermutlich ab Oktober die ersten gleichgeschlechtlichen Hochzeiten geben, deren Paare eine Ehe schließen wie zwischen Mann und Frau.

Genaues können die Standesämter dazu aber nicht sagen. Wenn das Gesetz am 1. Oktober in Kraft tritt, kann es aber in Görlitz bald losgehen. „Es sind keine personellen oder organisatorischen Veränderungen im Standesamt nötig, um im Falle der Rechtskraft der Ehe für alle vorbereitet zu sein“, teilt Stadtsprecher Wulf Stibenz auf Nachfrage Anfang Juli mit. Bisher liege die jährliche Zahl der Eintragungen von Lebenspartnerschaften, wie die bisherige Form der Homo-Ehe sehr unromantisch heißt, in der Neißestadt im einstelligen Bereich. Das Bräutigampaar Wunderlich wurde überrascht von der Gesetzesänderung. „Wir hätten alles gedacht, aber dass die Gleichstellung zwei Wochen vor unserem Termin beschlossen wird – besser hätten wir es nicht planen können“, sagt der 31-jährige Steffen. Die beiden sind seit mehr als drei Jahren ein Paar und arbeiten in der Gastronomie. Schon im Januar hat er sich den 17. 7. 17 als besonderes Datum ausgeguckt. Eine Feier an einem Montag passt für Gastronomen besonders gut – am Wochenende arbeiten ja alle.

Thomas Wunderlich (24) erzählt, wie er schon ein halbes Jahr vorher begonnen hat, seinen Antrag zu Silvester zu planen. Dass er diesen Part übernimmt, war für beide klar. Aber weil Steffen Schichten zwischen den Restaurants Lucie Schulte und dem Bürgerstübl tauschte und dann auch noch plötzlich vor Mitternacht Schluss hatte, musste er seine Pläne immer wieder anpassen. Am Schluss musste Steffen zu Thomas auf die Arbeit ins Acanthus kommen. Dort wartete dann eine Lasagnetorte auf ihn, denn Steffen ist nicht für Süßes zu haben. Glücklicherweise hat ihr großer Freundeskreis dichtgehalten und Steffen war wirklich der Einzige, der nichts geahnt hat. Bei der Feier am vergangenen Montag gab es übrigens eine Torte aus Mett.

Ob die beiden jetzt noch einmal „richtig“ heiraten wollen? Eher nicht. „Weil unsere Partnerschaft nach dem Beschluss im Bundestag eingetragen wurde, können wir uns einfach als Ehepaar umschreiben lassen“, erklärt Thomas. „Dann werden wir nur von unserer Wohnung am Untermarkt rübergehen ins Rathaus, uns umschreiben lassen und abends einen Sekt darauf trinken.“ Die Gleichberechtigung findet das Paar wichtig. Aber für sie persönlich wird sich durch das neue Gesetz nicht viel ändern. „Für uns sind Steuervorteile und Adoptionsrecht erst einmal nicht so wichtig, sie spielen in unserem Leben keine Rolle“, sagt Steffen. „Wir haben das Ganze letztlich aus Liebe getan und der Zeremonie wegen – Wer will nicht so eine Traumhochzeit?“

In Görlitz fühlen die beiden sich sehr gut aufgehoben. „Wir sind kein typisches Szene-Paar, unter den Gästen waren nur acht Homosexuelle“, erzählt Thomas. „Fast unser gesamtes Umfeld ist heterosexuell. Wir müssen uns überhaupt keine Gedanken machen, nicht angenommen zu werden.“ Die Feier war deshalb auch ein Dank an all diese Freunde, die ihr Leben so schön und einfach machen. Das ist bei den Gästen auch angekommen: Viele hätten gesagt, dass sie so eine schöne Feier noch nicht erlebt haben, berichtet er.

Gefeiert haben sie vor allem auf dem Untermarkt und im Helenenbad. Um drei waren sie im Standesamt, danach gab es einen Sektempfang vor der Bar La Habana und später ist die Festgesellschaft ins Helenenbad gezogen. Weil beide in der Gastronomie arbeiten, sei die Hälfte der Gäste auch aus diesem Bereich gekommen. Die andere Hälfte arbeitet im Sozialen. Bei 97 Gästen hat das Paar aufgehört zu zählen, es seien auf jeden Fall weit mehr als hundert gewesen. Spiele wie Reise nach Jerusalem gab es nicht: „Die sehen wir oft genug bei Hochzeiten auf Arbeit. Das kann man irgendwann nicht mehr sehen“, sagt Thomas.