Merken

Trauer um Schneeleoparden-Babys

Erst vor wenigen Wochen kam der Nachwuchs zur Welt. Jetzt mussten die drei Kätzchen eingeschläfert werden. Ihr Tod ist für den Dresdner Zoo ein Rückschlag.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Sandro Rahrisch

Dresden. Istari sucht ihre Babys. Nervös läuft die Schneeleopardin auf und ab, kontrolliert die Futterstelle und ruft ihre drei Kätzchen. Wiedersehen wird sie sie jedoch nicht.

Als einen der schwärzesten Tage in seiner Laufbahn bezeichnet Zoo-Tierarzt Dimitri Widmer den vergangenen Freitag. „Schweren Herzens haben wir uns entschieden, die erst vier Wochen alten Jungtiere einzuschläfern“, sagt er am Montag. Alle drei seien krank zur Welt gekommen. Ihnen fehlten Teile des Augenlids, welche die empfindliche Hornhaut schützt. Binde- und Hornhaut der jungen Katzen seien schon entzündet gewesen, so Widmer. Sie standen davor, blind zu werden.

„Grundsätzlich hätte man versuchen können, zu operieren“, so der Tierarzt. Bei einer einzigen OP wäre es aber nicht geblieben. Außerdem hätten die Schneeleoparden eine aufwendige Nachbehandlung gebraucht. Widmer bezweifelt, dass Mutter Istari dies in der Säugezeit toleriert hätte. Die Großkatzen neigen dazu, sich von ihrem Nachwuchs zu trennen, wenn sie in den ersten Monaten nicht in Ruhe gelassen werden. Ob eine OP das Augenlicht der Tiere überhaupt gerettet hätte, ist eine weitere Frage. „Neben den Lid-Defekten sind auch krankhafte Veränderungen des Sehnervs gefunden worden.“ Bei einem Tier habe die Hornhaut bereits angefangen, sich abzubauen.

Über die Ursache kann der Dresdner Zoo im Moment nur spekulieren. „Bei Hunden kennen wir diese Erkrankung auch“, so Widmer. Dort habe sie einen genetischen Hintergrund. Bei Schneeleoparden konnte man diesen Zusammenhang bislang nicht nachweisen. Ausschließen möchte man ihn aber auch nicht. Infrage kommt außerdem, dass die Mutter in der Schwangerschaft mit einem Parasiten infiziert gewesen ist, der die Krankheit Toxo-plasmose auslöst. Diese führt unter anderem zu Entzündungen der Augenhaut, des Herzmuskels und des Gehirns. Dass Istari giftige Stoffe zu sich genommen hat, während sie ihre Kinder austrug, sei dagegen unwahrscheinlich, sagt Dimitri Widmer. „Wir wissen, was wir ihr zu fressen gegeben haben.“

Istari hat sich in den vergangenen Wochen sehr gut um ihre Babys gekümmert, betont der Zoo. Die Jungtiere hätten Milch getrunken, zugenommen und seien in einem guten körperlichen Zustand gewesen, abgesehen von ihrer Augenerkrankung. Zurzeit verhalte sich das Weibchen zwar etwas nervöser als sonst. „Sie ist aber in keine depressive Phase verfallen“, sagt ihr Tierarzt. Ihre Trauer halte sich in Grenzen – anders, als das bei menschlichen Müttern zu erwarten wäre und bei den Mitarbeitern des Zoos der Fall ist. „Es geht uns sehr nah, trotz professionellen Abstands“, so Widmer. Auch er könne sich nicht dagegen wehren, einen „kleinen Fleischfresser“ niedlicher zu finden als etwa eine Maus.

Für den Zoo ist der Verlust der jungen Schneeleoparden ein Rückschlag. Istari, die vor drei Jahren von Nürnberg an die Elbe zog, brachte 2015 nach erfolgreicher Paarung mit Kater Askin den Kater Kiyan zur Welt – die erste erfolgreiche Schneeleoparden-Aufzucht nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob man ihr und Askin eine zweite Chance gibt, sich fortzupflanzen, ist noch unklar. Die toten Babys würden nun am Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin untersucht, um einer Aufklärung der Krankheit einen Schritt näherzukommen, so Widmer. Somit könnten zukünftige Würfe hoffentlich von neuen Erkenntnissen profitieren. Es sei möglich, dass ein neuer Wurf völlig gesund sei. „Es kann aber auch passieren, dass wir ein erwachsenes Tier austauschen werden.“