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Tragisches Ende einer Wandertour

Schmölln-Putzkaus Ex-Bürgermeister Steffen Schmidt starb auf einem Findungstrip, auf den er sich so gefreut hatte.

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© privat

Von Ingolf Reinsch und Gabriele Nass

Schmölln-Putzkau. Es sollte der Start in ein neues Leben werden. „Mit 50 neue Wege gehen“, hatte sich Steffen Schmidt, bis vor wenigen Tagen Bürgermeister der Gemeinde Schmölln-Putzkau, vorgenommen. Dafür wollte er sich am Anfang einen lang gehegten Wunsch erfüllen: Er wollte den „Europäischen Wanderweg der Freundschaft“, der von Eisenach nach Budapest führt, in entgegengesetzter Richtung abwandern – so weit ihn seine Beine tragen. Nur rund 150 des knapp 2 700 Kilometer langen Weges sollte er schaffen. Am Dienstag erreichte seine Familie die traurige Nachricht, dass der Putzkauer nicht mehr am Leben ist. Polizisten überbrachten seiner Frau Ines ein Fax von der deutschen Botschaft in Budapest. Darin teilt die Auslandsvertretung mit, dass ihr Mann am vergangenen Freitag eines natürlichen Todes gestorben ist, sagte Ines Schmidt am Mittwoch der SZ. Steffen Schmidt hinterlässt sie und zwei Töchter im Alter von 14 und neun Jahren. Er wurde nur 50 Jahre alt.

Steffen Schmidt im Amt als Bürgermeister, wie ihn viele kannten und wohl in Erinnerung behalten: als Bauer Schmidt beim Aktionstag Umwelt und Landwirtschaft in Putzkau.
Steffen Schmidt im Amt als Bürgermeister, wie ihn viele kannten und wohl in Erinnerung behalten: als Bauer Schmidt beim Aktionstag Umwelt und Landwirtschaft in Putzkau. © Daniel Schäfer

Ein letztes Lebenszeichen

Seitdem Steffen Schmidt am 5. August mit dem Zug von Bischofswerda über Dresden und Prag nach Budapest gefahren ist, telefonierten er und seine Familie jeden Abend miteinander – das letzte Mal am vergangenen Donnerstag. Am Freitagmorgen sandte er noch eine Mail an die SZ-Lokalredaktion mit einigen Fotos und Informationen über seine Wanderung – wahrscheinlich sein letztes Lebenszeichen, das Deutschland erreichte. Steffen Schmidt hatte Pläne; er berichtete aber auch von der anstrengenden Tour bei dem heißen Wetter. Er schrieb an die SZ: „Ich habe Szendehely erreicht. Am Sonnabend werde ich meinen ersten Ruhetag in Vác einlegen. Dann habe ich gute 144 Kilometer in den Beinen. Ich werde auch die Gelegenheit nutzen, meinen Blog weiterzuschreiben. Das sehr heiße Wetter (bis 38 Grad) fordert meine Kraft beim Wandern. Am Abend geht zurzeit nichts mehr mit geistiger Arbeit. Aber ich glaube, dass werde ich auch noch takten. Ungarn ist ein interessantes Land. Nur die Sprache ist nicht zu schaffen.“

In einem für die Tour eingerichteten Internetblog ließ er andere an seiner Wanderung teilhaben. Bei seiner ersten Etappe durch die Budaer Berge stieg er insgesamt 496 Meter hoch und gut 600 Meter ab. Viereinhalb Stunden war er unterwegs. Nach der erstern Etappe in den Budaer Bergen notierte er am Abend in seinem Blog neben der Weglänge – 14,2 Kilometer – auch als „Anmerkung zum Tag“, er sei der einzige Wanderer auf dieser Strecke gewesen. Ungarn ist zwar reich an Eichenwäldern. Die aber spenden kaum Schatten, sagte Steffen Schmidt Mitte vergangener Woche der SZ am Telefon. In seinem Blog schrieb er: „Sollte man nicht lieber baden gehen!?! Zu Hause kommt man auch nicht auf die Idee, bei so einem Wetter wandern zu gehen.“

Woran Steffen Schmidt gestorben ist, ist noch unklar. Ebenso ist noch nicht bekannt, ob sein Todestag auch der Tag ist, an dem man ihn gefunden hat. Das könnte möglicherweise erklären, warum seine Familie erst vier Tage später informiert worden ist. Sie wünscht sich Gewissheit und bittet in einem Fax die ungarische Polizei um weitere Informationen.

Kein Eintrag im Internetblog

Schon am Wochenende hatten Ines Schmidt und ihre Kinder auf einen Anruf oder eine Mail gewartet. Sie machten sich Sorgen. Haben gebangt und gehofft. Als dann am Montagmorgen der Internetblog nicht weitergeschrieben war, ahnte Ines Schmidt, dass etwas passiert sein muss. „Dass es gleich so schlimm kommt, hatte ich aber nicht gedacht“, sagt sie.

Steffen Schmidt war seit 2001 Bürgermeister in Schmölln-Putzkau. Zur Wahl im Juni dieses Jahres kandidierte er nicht wieder. Er wollte sich nach zwei Amtsperioden neu orientieren, wollte beruflich noch mal etwas anderes machen. Die Tour auf dem Wanderweg Budapest – Eisenach wollte er auch dafür nutzen, den Kopf frei zu bekommen und zu sich zu finden. „In den vergangenen 14 Jahren habe ich viel gearbeitet. Wenn man mitten im Berufsleben steht, nimmt man sich eine solche Auszeit normalerweise nicht. Jetzt ist die vielleicht einmalige Gelegenheit dazu“, sagte er wenige Tage vor seiner Abreise im SZ-Gespräch.

Der gelernte Elektronikfacharbeiter und studierte Betriebswirt (BA) war als Bürgermeister dafür bekannt, quer zu denken und unbequeme, aber notwendige Fragen zu stellen. Das brachte ihm in seiner Gemeinde nicht nur Zustimmung ein. Steffen Schmidt, der vor seinem Wechsel in die Kommunalpolitik bei einer Bank arbeitete, verstand es auch als Politiker, mit Geld umzugehen. Er übergab seinem Nachfolger einen soliden, fast schuldenfreien Gemeindehaushalt. In seiner Amtszeit wurde die Kindertagesstätte der Gemeinde komplett saniert, die Grundschule in Teilen modernisiert, das ehemalige Herrenhaus im Putzkauer Rittergut gerettet und zum Bürgerhaus umgebaut, das Schmöllner Feuerwehrdepot modernisiert und ins Freibad der Gemeinde investiert.

Viele Beileidsbekundungen

Menschen in der Region nahmen die Nachricht von seinem Tod mit Betroffenheit auf. Auf Facebook gibt es zahlreiche Beileidsbekundungen. „Lieber Steffen, wir haben erst kürzlich noch miteinander gesprochen. Meine Anteilnahme gehört in diesen schweren Stunden den Angehörigen und besonders Deiner Frau und Deinen beiden Kindern“, schreibt zum Beispiel Ilko Keßler aus Seeligstadt. Ralph Riedel, Vorsitzender der Putzkauer Bürgervereinigung, in deren Vorstand sich Steffen Schmidt ehrenamtlich engagierte, sprach gegenüber der SZ von einem „Schock hoch vier“. „Steffen Schmidt war ein fairer und kluger Kopf, der nie das Klein-Klein, sondern immer die Zusammenhänge sah und entsprechend entschieden hat.“ Er sei in den Jahren der Zusammenarbeit für ihn zu einem „echten Kumpel geworden, der lebensfroh gewesen ist und mit dem man viel unternehmen konnte“, sagte Ralph Riedel. „Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.“