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Touristen mögen noch Zinnsoldaten

Zinngießer Rainer Lehmann geht in Rente. Ein Nachfolger ist bisher nicht in Sicht.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Rainer Lehmann macht Schluss. In Kürze möchte der bekannte Meißner Zinngießer sein Geschäft am Theaterplatz für immer schließen. Nur eine kleine Sache stört ihn noch. „Ich habe leider bisher keinen Nachfolger gefunden, dem ich den Laden übergeben könnte“, sagt Lehmann.

Die Gründe kennt der 67-Jährige selbst nur zu gut. „Die heutige Generation hat kein Bewusstsein mehr für Zinn, weil es im Alltag kaum noch eine Rolle spielt. Problematisch ist auch, dass nirgendwo mehr eine Ausbildung zum Zinngießer angeboten wird.“

Dass letzterer Punkt kein Hindernis sein muss, beweist Lehmann mit seiner eigenen, erfolgreichen Laufbahn. Weil es auch anno 1965 nur wenige Lehrstellen für dieses Handwerk gab, lernte er zunächst Gürtler. „Ich habe in einem Betrieb in Freital gearbeitet und unter anderem Lampen gebaut“, sagt der 67-Jährige.

Bis zur Wende betreibt er die Zinngießerei ausschließlich nebenberuflich, bis er beschließt, sein liebstes Hobby endlich zum Beruf zu machen. „Mein eigenes Geschäft habe ich 1989 eröffnet. Und der Start war auch sehr gut. Damals saß das Geld irgendwie locker“, erinnert sich Lehmann, der zunächst in der Burgstraße residierte und 2012 in die Leipziger Straße wechselte. Vor allem Gebrauchszinn wie Teller und Becher habe er damals verkauft. Beliebt sind zudem je nach Jahreszeit Weihnachts- und Osteranhänger sowie historische Meißner Häuserfronten.

Touristen schätzen wiederum die kleinen, mit viel Liebe zum Detail hergestellten Zinnsoldaten und Schachfiguren. Nach der Flut 2002 erlebt Lehmann auch in einem anderen Segment einen Boom. „Ich habe zu dieser Zeit eine Menge Hochwassermarken verkauft, die an vielen Gebäuden in Meißen anzeigen, wie hoch der Pegel war“, so Lehmann.

Dass seine Produkte auch im Ausland für Aufsehen sorgen, nimmt er bei regelmäßigen USA-Besuchen gern zur Kenntnis. „Wenn ich dort die kleinen Figuren aus der Hosentasche gezogen habe, waren die Leute stets begeistert.“

Trotz des Zuspruchs spielt das Geschäft mit den Privatkunden zuletzt keine herausgehobene Rolle mehr. Dennoch hat der 67-Jährige genügend zu tun. „Mein Schwerpunkt liegt aktuell mehr auf der Restaurierung. Ständig kommen neue Anfragen herein, die ich gar nicht alle bearbeiten kann“, so Lehmann, der beispielsweise die Kruzifixe auf den Wettiner-Särgen in der Dresdner Hofkirche neu gegossen und in der Alten Coswiger Kirche das Taufbecken aufgearbeitet hat. Auch für Privatleute, die in Österreich oder der Schweiz ein Schloss besitzen, hat er Gegenstände bearbeitet und erneuert.

Doch ganz egal wie die Auftragslage gerade ist, Spaß macht die Arbeit Rainer Lehmann eigentlich immer, was auch damit zu tun hat, dass es nie ausschließlich Pflichterfüllung ist, sondern stets auch ein guter Schuss Leidenschaft mit dabei ist.

Als Kind von sechs Jahren wurde er von seinem Großvater an das Handwerk herangeführt und hat sich diese kindliche Begeisterung bis heute bewahrt. „Mir ist es wichtig, dass die Technik aus längst vergangenen Tagen erhalten bleibt und auch zukünftige Generationen die Figuren und Alltagsgegenstände aus Zinn kennenlernen“, so Lehmann. Ganz leicht wird das sicher nicht werden. Aber Lehmann bleibt hartnäckig und glaubt fest daran.