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Touristen finden Baudenkmal nicht

Gemeinderäte kritisieren, dass das Basisendhäuschen der Großenhainer Grundlinie nicht ausgeschildert ist. Dabei gab es mal große Pläne mit ihm.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Jörg Richter

Brockwitz. Unscheinbar steht er auf den Feldern westlich von Brockwitz. Ein kubusförmiger Bau, der oben einen gemauerten Dachkranz aus Backsteinen besitzt. Kaum fünf Meter hoch, ist seine Bedeutung für die Geschichte des sächsischen Vermessungswesens allerdings nicht hoch genug einzuordnen. Es ist das Basisendhäuschen der „Großenhainer Grundlinie“, die im Jahr 1872 den Maßstab für die Vermessung des Königreiches Sachsen lieferte. Jahrzehntelang kümmerte sich niemand darum. Vor zwölf Jahren aber wurde es aufwendig saniert und am 17. März 2006 mit reichlich öffentlicher Aufmerksamkeit eingeweiht.

Weit über 100 Interessierte kamen am 17. März 2006 nach Quersa, um das sanierte Basisendhäuschen zu sehen.
Weit über 100 Interessierte kamen am 17. März 2006 nach Quersa, um das sanierte Basisendhäuschen zu sehen. © Archivfotos: Brühl
Bürgermeister Wolfgang Hoffmann (r.) besuchte bei der Wiedereinweihung die Ausstellung im Inneren. Eine Meisterleistung zu damaliger Zeit
Bürgermeister Wolfgang Hoffmann (r.) besuchte bei der Wiedereinweihung die Ausstellung im Inneren. Eine Meisterleistung zu damaliger Zeit © Archivfotos: Brühl

Seitdem ist es um dieses Häuschen wieder still geworden. Zu still, wie einige Leute am Dienstagabend im Lampertswalder Gemeinderat anmerkten. Wie der Quersaer Gemeinderat Bernd Söllner berichtete, habe vor Kurzem eine Touristengruppe eben jenes Basisendhäuschen gesucht und nirgends Hinweisschilder dazu entdecken können. Da müsse was unternommen werden, fordert Bernd Söllner. Und auch Hobbyhistoriker Udo Gabrisch pflichtete ihm bei und sagt: „Da haben wir schon so was Besonderes in der Gemeinde und nutzen es nicht.“

Eine ähnliche Kritik flatterte Anfang Mai als Brief beim Deutschen Verein für Vermessungswesen (DVW) Sachsen e.V. in Dresden ein. Das bestätigte dessen Geschäftsstellenleiter Rainer Nitzsche. Dieser Verein hatte die Sanierung des Basisendhäuschens Quersa initiiert und mithilfe der Gemeinde Lampertswalde realisieren können. Der Verfasser des Briefes bemängelte, dass er das Baudenkmal erst im zweiten Versuch gefunden hatte. Ein paar Hinweisschilder an den Zufahrtsstraßen könnten Abhilfe schaffen.

Eine Meisterleistung zu damaliger Zeit

Die „Großenhainer Grundlinie“ lieferte den Maßstab für das trigonometrische Netz, das im Königreich Sachsen zwischen 1862 und 1890 vermessen wurde. Es besteht aus Dreiecken mit 20 bis 30 Kilometer Seitenlänge. Weil Entfernungsmessungen im hügeligen Gelände damals ungenau waren, berechneten die Geodäten die Seitenlängen der Dreiecke mithilfe der Grundlinie.

Weil die hiesige Landschaft eben war, wurde die Großenhainer Pflege für die Grundlinie ausgewählt. Exakt in der Flucht zwischen den Endpunkten in Quersa und Kleinraschütz setzten die Landesvermesser den Punkt Basismitte am heutigen Flugplatz.

30 Vermesser bestimmten 1872 innerhalb eines Monates die Länge der Grundlinie. Das Ergebnis (8908,648 Meter) galt jahrzehntelang als herausragende geodätische Leistung.

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„Als Verein können wir an öffentlichen Straßen keine Schilder anbringen“, argumentiert Nitzsche. „Das ist Sache der Kommune.“ Wie ihn ein anderes Vereinsmitglied mitteilte, hatte der Verein schon einmal eine Zusage der Gemeinde, dass Hinweisschilder aufgestellt werden sollen. Nun will sich der DVW Sachsen mit dieser Bitte erneut an Verwaltungen in Lampertswalde und Großenhain wenden.

Denn die Große Kreisstadt hat Erinnerungsstellen an die „Großenhainer Grundlinie“. Auf dem Flugplatz ist ein Messpunkt zu finden, und auf dem „Exer“-Gelände in Kleinraschütz steht ein Holzgerüst, das das andere Basisendhäuschen symbolisieren soll. Es wurde vor langer Zeit abgerissen. Das Gerüst hat ungefähr die Ausmaße wie sein Quersaer Gegenstück.

Als es ebenfalls am 17. März 2006 eingeweiht wurde, verband der damalige Großenhainer Bürgermeister große Hoffnungen damit. Er sagte: „Nun kann Großenhain zu einem Wallfahrtsort für die Vermesser Deutschlands werden.“ Dieser Traum hat sich leider nicht erfüllt. Nur gelegentlich verirren sich Insider, meistens Vermessungsingenieure und Studenten, zu den Endpunkten nach Kleinraschütz und Quersa. Ab und zu ist auch eine Schulklasse dabei, die von der „Großenhainer Grundlinie“ im Unterricht erfahren hat.

Im Quersaer Basisendhäuschen ist auf etwa vier Quadratmetern auch eine kleine Ausstellung zu sehen. Einfach mal dorthin fahren und hineingehen, ist allerdings nicht möglich. „Wir können es ja nicht offenstehen lassen“, sagt Nitsche. Wer hinein will, braucht einen Schlüssel. Davon gibt es drei Stück. Den ersten besitzt Nitzsche, den zweiten das Vermessungsamt Großenhain, und der dritte Schlüssel liegt im Gemeindeamt Lampertswalde. Bei Letzterem wird etwa fünfmal im Jahr nachgefragt. Meist zum Denkmalstag im September.