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Totscheks Kaufhaus verkauft

Eben war das Haus an der Steinstraße in Görlitz noch Filmkulisse, jetzt hat es einen neuen Besitzer. Wer, ist geheim. Eigentlich.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Matthias Klaus

Die Filmleute sind abgezogen, und das frühere Kaufhaus Totschek an der Steinstraße sieht aus wie früher, wie früher Anfang dieses Jahres wohlgemerkt. Verschwunden ist die Vorkriegswerbung, die im Streifen „Auf Wiedersehen Deutschland“ wahrscheinlich im kommenden Jahr auf der Kinoleinwand zu sehen ist. Sinnigerweise hatten die Filmleute aus dem früheren jüdischen Kaufhaus ein jüdisches Kaufhaus gezaubert, so wie sie es sich vorstellen. In der Realität ist das Haus nun verkauft worden. Das bestätigt Tobias Heid, von der Heid und Partner Immobilienmanagement GbR. „Der neue Eigentümer steckt noch mitten in der Planung für das Gebäude“, sagt Heid. Wer dieser neue Eigentümer ist, dazu möchte er sich deshalb nicht äußern.

Noch vor den Dreharbeiten nutzte das Antikhaus Leonhardt genau gegenüber an der Steinstraße das ehemalige Kaufhaus, stellte im Erdgeschoss Antiquitäten aus. Für den Film musste allerdings alles raus. „Aber wir hoffen, dass wir demnächst wieder einziehen können“, sagt Chef Hans-Ulrich Leonhardt. Er würde gern wieder die Schaufenster beleben, sagt der Antik-Experte. Mit dem neuen Besitzer des Hauses habe er bereits gesprochen. „Es sieht gut aus. Zumindest vorübergehend können wir die Räumlichkeiten wahrscheinlich nutzen, einen gegenteiligen Bescheid haben wir nicht bekommen“, sagt Hans-Ulrich Leonhardt.

Sein Verhandlungspartner war Philipp Metz. Der Physiker aus Bremen ist in Görlitz kein Unbekannter. Ihm gehören in der Stadt bereits einige Gebäude, darunter das Weinberghaus. Das wartet noch auf eine Sanierung. Der Eigentümer würde investieren, wenn sich ein Gastronom fände, so der letzte Stand der Dinge. Hat Philipp Metz nun auch noch das Kaufhaus an der Steinstraße erworben? „Dazu sage ich gar nichts“, sagt er am Freitag der SZ. Dass er das frühere jüdische Kaufhaus gekauft hat, will er nicht bestätigen. Nur so viel: „Mir macht es einfach Spaß, alten Häusern wieder neues Leben einzuhauchen.“ Wolfgang Kück, ebenfalls aus Bremen, Architekt und mit Philipp Metz bekannt, gibt sich zum Thema Kaufhaus Steinstraße ebenfalls einsilbig. Ein Gespräch über mögliche Planungen für das Gebäude lehnt er mit dem Hinweis ab: „Dazu ist es noch zu früh.“

Totscheks Kaufhaus an der Steinstraße 2 bis 4 ist eines der wenigen Gebäude in der Innenstadt, das noch unsaniert dasteht. Es ist eines der früheren jüdischen Geschäfte, von denen es an der Steinstraße gleich mehrere gab. Die Immobilienexperten von Heid und Partner versuchten seit Längerem, einen neuen Besitzer für das Gebäude zu finden. Bereits im April vergangenen Jahres hieß es, dass es Verhandlungen mit einem Interessenten gebe. Dann gab es über ein Jahr lang allerdings keine Neuigkeiten mehr.

Das Kaufhaus war 1868 von Adolph Totschek als Geschäft für „Herren-, Damen-, Mädchen und Knabenkonfektion“ gegründet worden. 1893 schmückte sich das Haus besonders schick: Der Kaiser kam zu Besuch in die Stadt. Bis in die 1920er Jahre war das Kaufhaus modebewussten Görlitzern ein Begriff. Zu Zeiten des Nationalsozialismus war es vom Nazi-Boykott betroffen. Adolph Totschek erlebte den Niedergang seines Lebenswerkes nicht mehr. Er starb bereits 1901, wurde in Görlitz begraben, ebenso seine Ehefrau Ida Totschek. Eine Enkelin soll heute noch in der Nähe von Washington leben. Ihr Vater Walter hatte das Haus nach dem Tod Adolph Totscheks geführt, vermietete es aber bereits wegen der Nazi-Repressalien 1936. Walter Totschek starb 1944 in New York.

„Wir freuen uns über jeden Investor, der eines der noch unsanierten Häuser übernimmt. Und dieses Haus ist ja ein sehr markantes Gebäude“, sagt Sylvia Otto, Sprecherin der Stadtverwaltung. Die Stadt Görlitz sei aber nur in seltenen Fällen Verkäuferin, die meisten Immobilienverkäufe seien rein private Geschäfte. Daher hält sich die Stadt auch sehr bedeckt, was das Kaufhaus auf der Steinstraße angeht. Nur so viel könne Frau Otto sagen: „Die Stadt erwarte von jedem Immobilieneigentümer das nötige Verantwortungsbewusstsein einerseits in der Frage der Sicherheit und Ordnung seines Immobilieneigentums sowie andererseits bei der Bewahrung des Wertes und der Funktion der Immobilie.“ Ob das ein Seitenhieb der Stadt auf Metz ist, der dem Weinberghaus auch nach Jahren sehr zum Leidwesen der Görlitzer kein neues Leben einhauchen konnte, bleibt abzuwarten. Derweil denkt Hans-Ulrich Leonhardt noch mit Freude an die Dreharbeiten. So schnell wird vermutlich die Fassade des traditionsreichen Kaufhauses in der Steinstraße nicht wieder so schick sein.