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Totes Terrain

Das Areal und die Gebäude der stillgelegten Löbauer Granit & Basalt GmbH werden im Mai zwangsversteigert.

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© Matthias Weber

Von Constanze Junghanss

Löbau. Das Büro steht schon lange leer. Abgerissen und halbiert liegt das Firmenschild auf dem Boden. Ein Hinweis auf ehemaliges Betriebsleben. Still ist es. Bis auf das Zwitschern der Amseln. Huflattich und einige Narzissen blühen wie zum Trotz gegen den Verfall an. Zerborstene Fensterscheiben, eingebrochene Dächer, Außenwände, in denen riesige Löcher klaffen. Und Steinhaufen. Manche davon glatt geschliffen, zwei Grabsteine jüngeren Datums darunter. Andere unbearbeitet. Die Kulisse in südöstlicher Stadtlage bietet ein trostloses Bild. Vergänglichkeit unter hellen Sonnenstrahlen macht sich breit.

Das soll nicht so bleiben. Flurstück 938 in Löbau kommt am 8. Mai unter den Hammer. Beim Amtsgericht Görlitz steht die Zwangsversteigerung des geschichtsträchtigen Areals im Terminkalender. Rund 100 Jahre wurde hier Granit verarbeitet. Gegründet von J. Kumpf & Co. im Jahre 1896 entstanden in der Stadt die berühmten Granitwerke und Steinbruchbetriebe. Zu DDR-Zeiten ging es weiter mit der Produktion, da unter dem Namen VEB Natursteinkombinat. Über die Wende gerettet von Teilen der Belegschaft entstand die Löbauer Granit- und Verwaltungs-GmbH. 2001 dann die vorläufige Insolvenz für das traditionsreiche Unternehmen. Doch gegen die Billigkonkurrenz aus Asien kam die heimische Qualitätsarbeit nicht an. 2004 kaufte ein Schweizer Großunternehmen die Firma. Vier Jahre später gab es im Handelsregister eine Namensumwandlung und der Betrieb hieß Löbau Granit & Basalt GmbH. Dazu findet man noch immer zahlreiche Einträge im Internet inklusive Telefonkontakt. „Kein Anschluss unter dieser Nummer“, teilt die Bandansage jedoch mit. Produziert wird hier nicht mehr.

In der Veröffentlichung zur Zwangsversteigerung heißt es auch, der Gewerbebetrieb sei stillgelegt. Anwohner berichten, dass ab und zu doch noch geschäftiges Treiben herrscht. Erst vor wenigen Tagen wieder: Eine Firma aus Polen soll vom Schweizer Noch-Eigentümer damit beauftragt worden sein, das letzte Zubehör aus dem Areal herauszuholen. Und tatsächlich steht in einem der maroden Gebäude ein Stapler zwischen neuen Gipskartonwänden. Der würde für die Räumarbeiten im Einsatz sein, heißt es. Hartmut Himmel spaziert ab und an den Ebersdorfer Weg entlang. „Dort stand früher einmal die Krananlage. Und da drüben die riesige Säge“, zeigt er auf die Grundmauern eines abgerissenen Gebäudes. Er zuckt bedauernd die Schultern. „Schade um den Betrieb.“ Andere Anlieger berichten davon, dass das fast 25 000 Quadratmeter große Areal schon zum zweiten Mal zwangsversteigert werden soll. Und mutmaßen, dass der Eigentümer jetzt versucht alles rauszuholen, was nicht niet- und nagelfest ist. „Seit drei oder vier Jahren ist absolut Pumpe mit der Granitverarbeitung“, sagt ein Mann in Arbeitskleidung.

Wie viele Gebäude auf dem Gelände zu finden sind, steht auch nicht in der Veröffentlichung zur Zwangsversteigerung. Das Verkaufsobjekt, so ist dort zu lesen, sei nur nach „äußerem Augenschein“ begutachtet worden. Immerhin warnt ein Schild am verbogenen Zauntor: „Betreten verboten. Lebensgefahr.“ Im Löbauer Stadtarchiv soll es aber umfangreiche Bauunterlagen geben. Gläubiger sind der Freistaat Sachsen und die Stadt Löbau. Holm Belger, Amtsleiter Fachamt Finanzen der Stadt, erklärt, warum Löbau als Gläubiger in diesem Verfahren auftritt: „Es sind Steuerschulden aufgelaufen“, sagt er. Ein übliches Verfahren auch von Kommunen, wenn die aufgelaufenen Schulden – oft über einen langen Zeitraum – nicht beglichen werden. Das können zum Beispiel Grund- oder Gewerbesteuern sein. Wie hoch diese Schulden bei der Stadt Löbau sind, kann Holm Belger nicht sagen. Und auch nicht, um welche Art von Schulden es genau geht. Fest steht jedenfalls: Kommt es zur Versteigerung, dann könnten die Gläubiger mit dem Erlös oder einem Teil davon bedient werden. Der soll mindestens 20 000 Euro einbringen. Das ist die Summe, die zur Versteigerung veranschlagt wird. Offene Forderungen bestehen außerdem bei der Stadtwerke Löbau GmbH im Bereich Trinkwasser in Höhe von 136,54 Euro und im Bereich Strom in Höhe von 653,89 Euro. Findet sich tatsächlich ein Investor, könnte am Ebersdorfer Weg 4 vielleicht Wohnraum entstehen. Der Blick führt direkt zum Löbauer Berg. Denn die Einschätzung beim Versteigerungskatalog lautet „Eine Umnutzung, Beplanung zu Wohnzwecken wird als wirtschaftlich und städtebaulich vernünftig und nachhaltig angesehen.“