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Totengedenken in luftiger Höhe

Auf dem Tafelberg Hohe Liebe treffen sich in jedem Jahr Bergsteiger, um verstorbener Kameraden zu gedenken.

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© Marko Förster

Von Mike Jäger

Sächsische Schweiz. Traditionell pilgern viele Bergsteiger am Totensonntag zur Hohen Liebe im Nationalpark Sächsische Schweiz. Auf dem Gipfel des bewaldeten Berges mit felsiger Kuppe befindet sich ein Bergsteigerdenkmal. Es wurde 1920 vom Sächsischen Bergsteigerbund zum Gedenken an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Bergsteiger errichtet.

Inzwischen trifft sich die Bergsteigerzunft jährlich an diesem Ort – in Erinnerung an verunglückte oder verstorbene Bergfreunde und Seilgefährten. Den sandsteinernen Gedenkstein der Hohen Liebe ziert Blumenschmuck, Grabgebinde werden niedergelegt. Durch den wolkigen Himmel dringt die Sonne.

Kurz verweilen die Menschen am Bergsteigerdenkmal in einigen Minuten der Besinnung und des Gedenkens an verstorbene Kameraden und Familienangehörige.

Jörg Hähnel ist jedes Jahr hier. Er ist Mitglied des Bergsteigerchores „Bergfinken“ aus Dresden. Nachdenklich formuliert er seine Gedanken: „Bei manchen Liedern, die unsere Altvordern auch schon gesungen haben, ziehen ihre Gesichter noch einmal an uns vorbei.“

Am steilen Berghang drängen sich viele Menschen zwischen knorrigen Kiefern. Bei schönem Spätherbstwetter sind mehr als 300 Menschen von Ostrau oder aus dem Kirnitzschtal hierher gewandert. Viele sind gekommen, um sich mit Freunden und Gleichgesinnten zu treffen und bei einem Schluck Glühwein dem Gesangsauftritt der „Bergfinken“, der unterstützt wird vom „Bergsteigerchor Sebnitz“ und dem „Männerchor Sächsische Schweiz“, zu lauschen. Gemeinsam singen die 60 Choristen kräftig gegen den böigen Wind an. Dazwischen spricht Christoph Schneider, Pfarrer im Ruhestand und selbst Bergsteiger, in einer Gedenkansprache bewegende Worte. Sie mahnen zum Innehalten und Stillwerden. Er zieht Parallelen zwischen dem Leben, der Gesellschaft und dem Felsklettern im Gebirge, wo es oft knifflige Kletterstellen gibt. Über die kniffligste Stelle im Leben, den Tod, sagt er: „Einmal werden wir frei sein, da zu gehen, wo keine Wege sind.“