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Tote Kuh vorm Zuckerhut

Der Atlantik vor Rio de Janeiro ist noch immer stark verdreckt. Aber in zwei Jahren schaut die Segelwelt auf das Revier.

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© dpa

Von Peer Lasse Korff

Eine schwere Holztür, ein altes Sofa oder gar eine tote Kuh: In der Meeresbucht von Guanabara müssen Segler mit vielem rechnen. Zwei Jahre vor den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro ist der Austragungsort der Segel-Regatten offenbar in einem gesundheitsgefährdenden Zustand, einige Athleten vergleichen das Wasser mit einer Kloake. Besserung ist nicht in Sicht.

„Bei meiner ersten Fahrt fand ich einen großen Holzstuhl im Wasser“, sagte Deutschlands Laser-Hoffnung Philipp Buhl. Wie mehr als 300 Segler aus 34 Nationen geht der 24-Jährige ab dem Wochenende bei den ersten internationalen Testrennen „Aquece Rio“ im strömungsstarken Revier an den Start. „Das ist natürlich nicht gerade ideal“, fügte er diplomatisch an. „Ich denke und hoffe, dass sich das ändert. Nicht nur mit Blick auf Olympia 2016, sondern auch nachhaltig.“

Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Zwar surren seit Monaten kleine grüne Eco-Boats umher und sammeln Müll ein. Doch Rios Bürgermeister Eduardo Paes musste bereits eingestehen, dass die massiven Schmutzprobleme nicht mal eben in den kommenden zwei Jahren aus der Welt geschafft werden können.

Weniger als 40 Prozent der Abwasser der Millionenstadt werden laut New York Times behandelt – der Großteil fließt ungefiltert ins Meer. Hinzu kommen riesige Mengen Abfall. In den Rennen könnte sich Müll am Boot verfangen und neben Kurs, Wind und Gegner ein entscheidender Faktor für Sieg und Niederlage sein.

Kadaver im braunen Wasser

„Alle nur vorstellbaren Dinge schwimmen im Wasser. Sie erschweren das Segeln und machen es teilweise unmöglich“, sagte 49er-Segler Erik Heil nach Tests im Winter bei segelreporter.de. Ein brasilianischer Coach habe sogar eine tote Kuh im Wasser gesehen, berichtete der 24-Jährige. Eindrücke, die Heils Konkurrent Thomas Low-Beer auch kennt. „Es kann widerlich sein, mit schwimmenden Hunde-Kadavern und braunem Wasser“, sagte der Brasilianer.

Die Verhältnisse im olympischen Revier, das die Fernsehkameras mit Schwenks auf den Zuckerhut und die Christusstatue pittoresk einfangen werden, bereiten den Athleten große Sorgen. Viele Segler tragen auf den Booten keine Schuhe, die Verschmutzung des Wassers unter anderem mit Koli-Bakterien kann zu Augeninfektionen, Hepatitis, Hautproblemen oder schweren Magen-Darm-Infektionen führen.

Grund genug für den früheren brasilianischen Top-Segler Lars Grael, in den Landesmedien die Verlegung der Wettbewerbe an einen anderen Küstenort zu fordern. Doch nichts deutet derzeit darauf hin, dass dem Appell des 50-Jährigen Taten folgen. Die Slalomfahrten durch Plastiktüten, Tierkadaver und Fäkalien gehen weiter.

Dabei hatten die Organisatoren in der Bewerbung um die Spiele versprochen, die Bucht zu reinigen. Schon im Vorfeld der Panamerikanischen Spiele 2007 sollte der Meeresabschnitt gesäubert werden – und doch blieb alles, wie es war.

Auch auf anderen Olympiabaustellen haben die Brasilianer so ihre Sorgen. Es sollen überhaupt erst zehn Prozent der Sportstätten in Rio fertig sein. Zum Vergleich: In London waren es zum selben Zeitpunkt bereits 60 Prozent. „Jeder Tag ist ein Finale“, gestand OK-Chef Carlos Nuzman.

Für die Bauvorhaben vollzieht die Stadtverwaltung auch Umsiedlungen, weil zum Beispiel auf dem Areal der Wettkampfanlagen für Schwimmer, Bahnradfahrer und Tennisspieler mal ein modernes Wohngebiet entstehen soll. Allerdings erst, wenn der Olympiatross wieder abgezogen ist. Die einfachen Leute in ihren einfachen Häusern, von denen derzeit eines nach dem anderen den Baggern zum Opfer fällt, haben dort keine Zukunft mehr.

Wettlauf gegen die Zeit

Aber: Die Fertigstellung der Sportanlagen, das ist klar, wird ein Wettlauf gegen die Zeit. Für ein Happy End braucht die Ausrichterstadt die Hilfe des IOC, das seine Felle längst davonschwimmen sieht. Mittlerweile sind die offiziellen Seiten um Positivmeldungen bemüht. Eine Task Force wurde eingerichtet. „Alle Sportstätten werden rechtzeitig fertig werden“, versprach IOC-Exekutiv-Direktor Gilbert Felli, der von Präsident Thomas Bach als Krisenmanager nach Rio geschickt worden war. Und auch Bürgermeister Eduardo Paes spielte die Probleme herunter. Man liege im Zeitplan.

Bach sprach jüngst von „Fortschritten im Wettkampfstättenbau“. Allerdings ist der Etat der Spiele mittlerweile auf umgerechnet knapp 12 Milliarden Euro angewachsen. Das ist Wasser auf die Mühlen der WM- und Olympiagegner, die mehr Geld für das darbende brasilianische Sozialsystem fordern. (sid)