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Torte und viele Worte

Die Konditorei Schreiber feiert ihren 150. Gründungstag und für die Gäste gibt es weit mehr als nur Naschwerk.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. So muss es riechen, wenn ein Konditor einlädt. Im Café Schreiber auf der Elbstraße mischen sich die Düfte von Bohnenkaffee und Frischgebackenem. In der Vitrine gegenüber der Tür stehen die Torten dicht an dicht. Egal ob mit Schokolade, Marzipan, Nougat oder Früchten – kein Wunsch bleibt unerfüllt.

Der Herr der Torten, Konditormeister Uwe Schreiber, hat gerade Händeschütteldienst. Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) ist aus dem Rathaus herübergekommen. Handwerker wie Schreibers, die über fünf Generationen hinweg in der Stadt produzieren, seien ganz wichtige Stützen für Meißens Wohlstand, sagt er. Und das gleich auf mehreren Ebenen: Wer in der Stadt so tiefe Wurzeln geschlagen habe wie die Konditorendynastie, der verlagere nicht einfach seinen Betrieb. Der halte auch einmal eine längere Durststrecke durch. Handwerker kauften wiederum bei Handwerkern ein. Auf diese Weise entstehe ein segensreicher Kreislauf, so Raschke.

Seniorchef Peter Schreiber nimmt das Stadtoberhaupt dezent beiseite. Neben Naschwerk hat das Café heute noch ganz andere Schätze zu bieten. Auf einem Tisch gegenüber dem von Schwiegertochter Anett Schreiber aus Pirna üppig befüllten Buffet liegen die reich bebilderte Familienchronik und eine Mappe mit Urkunden.

Vorsichtig beginnt Peter Schreiber zu blättern. „Ah, da ist sie ja.“ Mit dieser Urkunde fing alles an. Ernst Moritz Schreiber wird darin von der Stadt Meißen bestätigt, am 4. Oktober 1867 das Gewerbe eines Bäckers angemeldet zu haben. Damals noch am Neumarkt. Der Zeitpunkt für den Umzug vom Stammsitz der Familie in Zschepa bei Riesa hätte kaum günstiger ausfallen können. Der Urgroßvater des heutigen Chefs Uwe Schreiber gründete seinen Betrieb kurz vor dem Deutsch-Französischen Krieg und der folgenden Reichseinigung. Jahre mit starkem Wirtschaftswachstum folgten. Deutschland wurde industrialisiert. Der Hunger auf Brot nahm zu, aber auch die Lust konditern zu gehen. Urgroßvater Emil Schreiber wechselte um die Jahrhundertwende in das boomende Cölln und eröffnete auf der heutigen Kurt-Hein-Straße das damalige Kaiser-Café. Bis heute hält die Familie an dem Produktionsstandort mit seinen günstigen Anfahrtswegen und Parkverhältnissen fest. Freilich, den größeren Publikumsverkehr erlebt das Café auf der linken Elbseite. Großvater Hans Schreiber und seiner Frau gelang es schließlich, das kleine Unternehmen über den Zweiten Weltkrieg und die schwierige Nachkriegszeit zu retten. Bilder zeigen den drahtigen Mann mit Sohn Peter und Enkel Uwe in der Backstube. Viele Rezepte gehen auf ihn zurück. Er hat das bis heute gängige Grundsortiment geprägt. Peter Schreiber hielt die Qualitätsansprüche seines Vaters über die Mangeljahre aufrecht. 1996 kam mit den zunehmenden Touristenströmen das zweite Café in der Elbstraße hinzu.

Senior Peter Schreiber blickt von der Chronik auf und schmunzelt. Das Buch kann ruhig noch dicker werden und ein paar Seiten und Einträge mehr vertragen. „Ich habe für meine Söhne als Konditormeister wenig Zeit gehabt. Deshalb verbringe ich jetzt viele Stunden mit meinen Enkeltöchtern“, sagt er. Die hätten für sich bereits festgelegt, wie es nach der Schule weitergehen soll. Gar keine Frage. Natürlich möchten sie den Eltern helfen, im Café und in der Backstube.