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Topf Secret in die Selbstständigkeit

Ein arbeitsloser Koch will sein eigener Chef werden: mit einem Lieferservice für Hobby-Köche. Die SZ begleitet ihn und schaut in die Töpfe und den Businessplan.

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Von Michael Rothe

Gregor Merker hat aus Prinzip keinen Fernseher. Erstens habe er kaum Zeit, sagt er, „und außerdem läuft da meist nur Grütze“. Mit der Konsequenz entgehen dem 29-jährigen Koch auch die „Topfgeldjäger“ und andere kulinarische Angriffe auf die Netzhaut. Merker ficht seine eigene Küchenschlacht. In der geht es um nichts weniger als um seine Existenz. Die berufliche.

Der Dresdner ist seit vier Monaten arbeitslos. Doch das soll sich ändern. Merker will sein eigener Chef werden und weiß auch wie: Er gründet einen Lieferservice mit angeschlossenem Herd, ein Spagat zwischen Pizza-Bote und Sterne-Küche. Sein Rezept: „Die Leute bestellen am Vorabend, ich kaufe je Personenzahl ein, bereite vor, was geht, und gebe eine Weinempfehlung.“ Die Auslieferung erfolgt roh, teilzubereitet oder fast fertig – sprich, ein Restaufwand von höchstens 15 Minuten. Der Besteller müsse nur Basics wie Mehl, Zucker und wichtigste Gewürze stellen. Dass sich Kunden dann beim Gourmet-Dinner mit fremden, sprich seinen, Federn schmücken, stört ihn nicht. Für den Gastgeber bliebe ja die Herausforderung, das Fleisch auf den Punkt zu garen. „Das ist schwierig genug.“

Eine Gelingegarantie gibt Merker nicht. „Vier Filialen könnten es mal werden“, sagt er. Obergrenze seien 5.000 Menüs pro Tag. Kein Traum, Berechnung. Anfangs helfen Freunde, später Angestellte. Mittlere Reife, abgebrochene Schneiderlehre, Lagerjobs, Kochausbildung, Fach-Abi mit 2,0, diverse Küchen: vom Flusskreuzfahrtschiff bis zum Grand Hotel. Der Mann hat einiges erlebt vor seinem Gründerseminar. Und er hat einen erweiterten Gesichtskreis – nicht nur der Glatze wegen. Die Haare sprießen dafür am markant gestylten Bart. Ähnlich auffallen will Merker mal mit seiner Firma.

Der Stolpener Unternehmensberater Martin Urwalek räumt dem Vorhaben gute Chancen ein. Sein Schützling stoße in eine Nische und unterscheide sich von Null-acht-fünfzehn-Gastronomie, die oft schon beim Start dem Tod geweiht sei. Der Unternehmer in spe liefere die Grundzubereitung in Gourmetqualität und verschaffe den Kunden Zeitersparnis. Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil: „Weil er keine Fertiggerichte ausliefert, gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent.“

Kein guter Nährboden für Gründungen

Merker, Vater einer neunjährigen Tochter, gehört zur schrumpfenden Gruppe derer, die ihr eigener Chef werden: meist am Bau, im Handel, als wirtschaftliche Dienstleister. Die Gründereuphorie in Deutschland ist lange verflogen. 2012 haben sich so wenige Menschen wie noch nie seit der Datenerhebung selbstständig gemacht. Die Konjunktur dümpelt, Fachkräfte werden gesucht, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Diese Gemengelage sei kein guter Nährboden für Neugründungen, sagen Experten. Und wenn dann noch die Zuschüsse von der Arbeitsagentur sinken ... Wer einen festen Job hat, muss nicht nach Alternativen suchen. Die Förderbank KfW zählte 2012 bundesweit 775.000 Gründer – noch mal sieben Prozent weniger als 2011. Zum Vergleich: 2001 waren noch fast doppelt so viele das Unternehmerwagnis eingegangen.

Der „Sächsische Gründerreport“ weist für 2012 exakt 12.832 hauptberufliche Neueinsteiger aus – nach 15.378 zuvor. Es verschwinden mehr Firmen vom Markt als einsteigen. 2012 erreichte der jahrelange Negativsaldo mit 2.812 seinen Tiefstand. Das sächsische Existenzgründernetzwerk (SEN), eine Initiative von Kammern und Aufbaubank, warnt vor einer „Unternehmenslücke“, auch die KfW nennt die Entwicklung „besorgniserregend“. „Wir brauchen qualifizierte und nachhaltige Gründungen für die permanente Erneuerung der Wirtschaft“, sagt Ralf Scheler, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig, die den Ratsvorsitz im SEN innehat. Die Gründerkultur zu stärken, sei Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung.

Nach der Reform der Gründungszuschüsse genehmigten die Arbeitsagenturen 77 Prozent weniger Anträge für arbeitslose Existenzgründer. Die Bewilligungen bei ESF-Mikrodarlehen für Investitionen im kleinteiligen Bereich gingen um 43 Prozent zurück. Gewachsen ist der Beratungsbedarf der Gründer. In Sachsen helfen auch die Startercenter der Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern.

Nach Angaben des Statistischem Bundesamts wurden im ersten Quartal 35.000 größere und 60.000 kleinere Unternehmen angemeldet – ein Minus von 7,6 und 8,8 Prozent zur Vorjahreszeit. Aber der „KfW-Gründungsmonitor 2013“ sieht auch Positives: Es gibt mehr Gründer aus Überzeugung, denn aus Not. Und: Fast jeder fünfte Jungunternehmer gibt an, innovativ zu sein, eine Neuheit eingeführt zu haben.

So wie der Koch Gregor Merker. Der ist sich sicher, der Erste mit seiner Idee zu sein. Die Marke „Topf Secret“ und das Logo habe er schützen lassen. „Kochen ist meine Passion“, sagt Merker. Noch geht er der in der Miniküche seiner Dresdner Drei-Raum-Wohnung nach. Die Lafers, Lichters und Mälzers im Fernsehen wären erstaunt, was dort entsteht – zwischen ausrangierten Edelstahlteilen einer Großküche, zwei Barhockern, DDR-Spüle und Herd. Sophie, eine französische Praktikantin und Merkers Untermieterin, darf immer mal kosten.

Die SZ wird Gregor Merker auf dem Weg in seine Selbstständigkeit begleiten: Businessplan, Immobiliensuche, Bankgespräche bis zur Geschäftseröffnung. Seine Erlebnisse und Erfahrungen können Sie in „Gregors Gründertagebuch“ nachlesen. Die einzelnen Tagebucheinträge finden Sie unter „Links zum Thema“ oben im Text.

www.existenzgruendung-sachsen.de