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„Ich möchte meinen Seelenfrieden“

Vor Gericht hat Regine Töberich am Mittwoch einen Teilerfolg erzielt. Nun könnte sie ihr Grundstück Marina Garden an die Stadt verkaufen.

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© Sven Ellger

Regine Töberich hat für ihr Wohnprojekt Marina Garden gekämpft. Aus Protest ließ sie einen Teil des Elberadwegs wegbaggern, als der Stadtrat ihr verbot, Hand auf ihrem Grundstück anzulegen. Und als die Stadt gänzlich neue Pläne für das Areal an der Leipziger Straße schmiedete, verklagte sie sie auf Schadenersatz. Von der kämpferischen Investorin ist am Mittwoch jedoch nur wenig zu sehen.

Töberich sitzt im Saal des Oberlandesgerichts auf der Klägerbank. Es ist Tag eins im Berufungsprozess, nachdem das Landgericht ihre Klage im November abgewiesen hatte. Dem Senat macht die Architektin klar, wie anstrengend die letzten beiden Jahre für sie waren. „Ich habe Briefe geschrieben, mich an die Landesdirektion gewendet, Anzeigen in der Zeitung geschaltet, aber es hat niemanden interessiert“, sagt sie. Es sei ein schreckliches Gefühl gewesen, gegen die Wand zu laufen. „Ich dachte, der Rechtsstaat wird ausgehebelt.“

Die 53-Jährige wollte zwischen Leipziger Straße und Elbufer eine Wohnsiedlung mit zuletzt etwa 180 Wohnungen errichten. Kosten: rund 50 Millionen Euro. Wäre das Hochwasser 2013 nicht gekommen, vielleicht würde Marina Garden bereits stehen. Doch die Flut ist für die Stadtverwaltung und die rot-grün-rote Ratsmehrheit Anlass gewesen, die Pläne der Investorin auf den Kopf zu stellen. Der Stadt ging etwa der Hochwasserschutz, den Töberich eingeplant hatte, nicht weit genug. Der Stadtrat entschied, einen neuen Bebauungsplan auf den Weg zu bringen, und beschloss für die Zwischenzeit eine Veränderungssperre für Töberichs Grundstück. Die Architektin lehnte es ab, an den neuen Plänen mitzuwirken. Sie wirft der Stadt vor, die Genehmigung ihres Projektes hinausgezögert zu haben, bis neue Pläne für ihre Immobile gemacht werden konnten.

Immerhin gaben ihr die Richter am Mittwoch recht, dass die Stadt zu lange für ihren Bauvorbescheid gebraucht habe und damit ihre Amtspflicht verletzte. Ein Anspruch auf Schadenersatz leite sich daraus aber nicht automatisch ab, da unklar sei, ob die Investorin auch eine Baugenehmigung bekommen hätte.

Von einer Vielzahl rechtlicher Unwägbarkeiten für Töberich spricht der Vorsitzende Richter Hanspeter Riechert. Er räumt der Stadt vorerst etwas bessere Chancen ein. Viele Fragen seien jedoch noch nicht beantwortet. Etwa, ob Marina Garden mit den vielen neuen Wohnungen in die Umgebung gepasst hätte. Es gebe auch Argumente dafür, dass die Klage erfolgreich sein könnte. In diesem Fall müsste sich die Stadt auf einen extrem hohen Schadenersatz einstellen, so der Senat. Die Richter lassen durchblicken, dass der Prozess sehr lange dauern könnte. „Wir meinen, man sollte überlegen, ob eine Einigung möglich ist.“

Bislang bestand Regine Töberich auf Schadenersatz für ihre bisherigen Planungen und für die zukünftigen, entgangenen Gewinne. Einen Verkauf ihres Grundstücks schloss sie aus. Obwohl sie weiß, dass sie eine Immobilie besitzt, mit der sie nichts anfangen kann, und die Stadt mit einer Fläche plant, die ihr nicht einmal gehört. Das Gericht legt nahe: Dresden kauft der Investorin das Grundstück zum aktuellen Verkehrswert ab und kommt obendrein für das Prozessrisiko auf.

Ein Vorschlag, dem Töberich offenbar nicht abgeneigt ist. „Ich habe immer gesagt, ich will ein Grundsatzurteil zur Amtspflichtverletzung, und das ist die heutige Aussage für mich. Ich möchte meinen Seelenfrieden und neu anfangen, aber der Vergleich muss fair sein.“ Wie viel genau das Grundstück wert ist, muss noch ermittelt werden. Riechert weist auf die Vorteile einer Einigung hin. Die Stadt hätte ein städtebaulich relevantes Grundstück, und Töberich eine sinnvolle Lösung für eine Fläche, mit der sie nichts mehr machen will beziehungsweise kann. Die Stadt hat Marina Garden inzwischen in Elbviertel umgetauft, plant nur noch 52 bis 136 Wohnungen sowie Büros, eine Kita und Ateliers. Zur Elbe hin soll ein deutlich breiterer Grünstreifen als Überschwemmungsfläche freigehalten werden. Auch eine Flutschutzmauer ist angedacht.

Während Töberich spontan zu erkennen gibt, dass sie nicht lange brauchen wird, um der Stadt eine Vergleichssumme vorzuschlagen, hält sich der Anwalt der Stadt zurück. Zunächst müsse die Rathausspitze informiert werden, anschließend der Stadtrat entscheiden. Das kann dauern. Erst im August kommt der Rat nach der Sommerpause zusammen. Immerhin gebe es seitens der Stadt nicht den grundsätzlichen Wunsch, den Prozess ohne Einigung zum Ende bringen zu wollen. Bis Ende August haben beide Seiten nun Zeit, Stellung zu einem möglichen Vergleich zu nehmen. „Liegt ein Angebot vor, wird die Stadt dieses prüfen“, sagte Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne).

Kampflos wird Töberich aber nicht gehen, falls sich die Stadt nicht mit ihr einigen sollte. „Wir haben gute Argumente und gute Chancen“, sagt sie.