Von Thomas Morgenroth
Freital. „Ich muss ein wenig ausruhen“, ruft Till Eulenspiegel den Menschen unter seinen Füßen zu und setzt sich. Aber kaum, dass er das Stahlseil in seine „Ackerfurche“ eingepasst hat, kommt ihm der Bauer Tim entgegen. Was er hier zu suchen habe, pöbelt der Narr, er solle besser seine Felder bestellen. Tim aber will nicht umkehren und steigt kurzerhand über Eulenspiegel drüber, um wenig später das Ziel in vierzehn Meter Höhe zu erreichen, ein Fenster im obersten Stockwerk des Schlosses Burgk. Derweil strebt Eulenspiegel dem anderen Ende des 35 Meter langen Schrägseiles zu, das im Hof an einer Kastanie befestigt ist.
Bilder vom 15. Oster-Spectaculum
Das Volk bejubelt die beiden Männer, die beim 15. Oster-Spectaculum in Freital zu jeder vollen Stunde artistische Meisterleistungen vollbringen, die nicht ungefährlich sind: Die Brüder Alexander und Max Weisheit tanzen ungesichert und ohne Netz über das Seil. Während der 31-jährige Alexander bereits Erfahrungen mit dieser Nummer hat – er war schon vor vier Jahren als Till auf Schloss Burgk – ist es für den 19-jährigen Max eine Premiere: Er steigt in Freital das erste Mal überhaupt auf dem Schrägseil über seinen Bruder. Und meistert die Herausforderung mit Bravour.
Deutschlands berühmteste Hochseiltruppe, die Geschwister Weisheit aus Gotha, war die spektakulärste Zutat des dreitägigen mittelalterlichen Treibens im schönsten Anwesen der Stadt. Mehr als 7 000 Gäste, so viele wie lange nicht, freut sich Thomas Szymkowiak vom Projektzentrum Dresden, erlebten bei schönstem Frühlingswetter historisches Handwerk an fast 40 Ständen: Gaukelei, wie den Feuerengel Gabriel; feine Musik, zum Beispiel von Nachtwindheim und Ludibundi; handfeste Ritterspiele mit der böhmischen Gruppe Hartigo und kulinarische Genüsse.
Verträge bis 2021
Für Lachsalven sorgte etwa der Chemnitzer Spielmann Laut’n Hals, der Anfang März sein 25. Bühnenjubiläum als Mittelalterkünstler feierte und schon mehrfach auf Schloss Burgk dabei war. Der 53-Jährige, im Hauptberuf Maschinenbauingenieur, moderierte die Auftritte der Geschwister Weisheit. Er sprach, nicht zu Unrecht, von Todesmut, dichtete dem Till sechs Kinder an, und dass er über den Hof flattern würde wie eine Elfe. „Ich komme immer gerne nach Freital“, sagte Laut’n Hals, „das Publikum hier ist sehr angenehm.“
Das finden auch die Zinngießer Cornelius Landsberg und Burkhard Pischnick aus Dobbrikow bei Berlin, die, wie schon in den Vorjahren, mit Kindern Soldaten gossen. Die beiden Tischlermeister, die gerade ein Museum zum holzverarbeitenden Handwerk aufbauen, bekamen 2015 ihren internationalen Ritterschlag als Zinngießer: Sie waren als Einzige ihrer Zunft bei den Gedenkfeiern zum 200. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo in Belgien dabei.
Zum ersten Mal hingegen hatte Marktvogt Karl von Dräsn den Punzierer Uwe Lahl aus Gößnitz eingeladen, der mit der seltenen Technik Bilder in Leder prägt. Er war begeistert und würde, wie die meisten Beteiligten, gern wieder nach Freital kommen. Auch die Geschwister Weisheit finden Schloss Burgk als Saisonauftakt wunderbar. „Aber das“, sagt Veranstalter Szymkowiak, „können wir uns nicht jedes Jahr leisten.“ Vielleicht aber wieder zum 20. Oster-Spectaculum in fünf Jahren. Das kann der 46-Jährige auch langfristig planen: Zunächst bis 2021, so steht es im Vertrag mit der Stadt Freital, darf das Projektzentrum Schloss Burgk weiterhin nutzen.