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Todeskampf in 12 000 Metern Höhe

Flugkapitän Heinz-Dieter Kallbach rettete 148 Menschenleben und hält einen Rekord. Am Freitag berichtet er in Hinterhermsdorf.

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© Sebastian Willnow/dapd

Von Dirk Schulze

Hinterhermsdorf. Er flog Hilfsgüter nach Afrika und die DDR-Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen nach Calgary und Seoul. Er landete eine Langstreckenmaschine auf einem Feld und kämpfte in 12 000 Metern Höhe mit einem Selbstmordattentäter im Cockpit. Was Heinz-Dieter Kallbach in seiner Pilotenlaufbahn erlebt hat, reicht locker für mehrere Vortragsabende. Der mittlerweile 75-Jährige ist der wohl berühmteste Flugkapitän der DDR und zählt zu dienstältesten Verkehrspiloten Deutschlands.

Kallbach, Jahrgang 1940, ist in der Lausitz aufgewachsen. Mit 17 Jahren startete sein Fliegerleben als Transportpilot bei der NVA. Vier Jahre später wechselt er in die zivile Luftfahrt. Ab 1964 war er Kapitän bei der DDR-Fluggesellschaft Interflug und flog kreuz und quer durch die Welt. Nach der Wende arbeitete er bei einer Chartergesellschaft weiter, später als Werkspilot und Ausbilder. Insgesamt hat er bis heute über 33 000 Flugstunden absolviert. In Kilometern gerechnet entspricht das etwa 535 Erdumrundungen. Dabei hatte er zehnmal mit ausgefallenen Triebwerken zu kämpfen, in zwei Fällen brannte es sogar, doch Kallbach gelang es immer, seine Passagiere sicher wieder zu Boden zu bringen.

Eintrag im Guinnessbuch

Seine spektakulärste Landung brachte ihm sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ein. Das war im Herbst 1989. Zu Ehren des Flugpioniers Otto Lilienthal sollte eine Iljuschin IL-62 in Stölln im brandenburgischen Havelland zum Museum umgebaut werden. Auf dem dortigen Feld war Lilienthal 1896 mit seinem Segelapparat tödlich verunglückt. Die Schwierigkeit bei dem Vorhaben: Der Flugplatz verfügt bis heute nur über eine 840 Meter lange Graspiste als Landebahn. Der russische Langstreckenjet IL-62 braucht aber normalerweise mehr als 2 500 Meter, um sicher zu landen. Nach einjähriger akribischer Vorbereitung und einigen technischen Anpassungen setzten Kapitän Kallbach und seine Crew am 23. Oktober 1989 zum Landemanöver an. Er brachte die Maschine punktgenau zu Boden. Die IL-62 mit dem Namen „Lady Agnes“ dient bis heute als Ausstellungsstück und als besonderer Trauungsort für Heiratswillige.

Die dramatischsten Augenblicke seines Lebens erlebte Kallbach am 27. März 2000. Mit einer Boeing 737-700 befand er sich auf dem Rückflug von Teneriffa nach Berlin-Schönefeld mit 143 Urlaubern an Bord. Die Maschine war schon seit dreieinhalb Stunden in der Luft, als ein Mann das Cockpit betrat. Er war des Lebens müde und wollte die Maschine zum Absturz bringen. Der Selbstmordattentäter würgte den Kapitän, trat ihm gegen den Kopf und gegen die Steuersäule des Flugzeugs, um es abstürzen zu lassen. Über der spanischen Stadt Saragossa setzt der Copilot das Notsignal Mayday ab. Sechs Minuten dauert der Kampf um Leben und Tod in 12 000 Metern Höhe. Kapitän Kallbach trägt Hämatome am ganzen Körper und eine blutende Wunde davon. Doch schließlich gelingt es, den Angreifer zu überwältigen. Alle Insassen des Flugzeugs sind gerettet. Drei Wochen später sitzt Kallbach wieder im Cockpit.

8. April, 19 Uhr, Haus des Gastes Hinterhermsdorf: Heinz-Dieter Kallbach liest gemeinsam mit der Schauspielerin Renate Geißler aus seiner Biografie „Mayday über Saragossa“ und zeigt Videoausschnitte. Eine Veranstaltung des Heimatvereins Hinterhermsdorf. Eintritt: 7 Euro.