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Tod im Elbestrom

Vier Kinder starben einst beim Schlittschuhlaufen. Ihr Denkmal musste abgerissen werden. Jetzt werden Spender für einen Wiederaufbau gesucht.

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© Kirchgemeinde Zadel

Von Jürgen Müller

Zadel. Dieser 24. Februar war ein eiskalter Wintertag. Die Elbe war teilweise zugefroren. Sechs Kinder im Alter zwischen neun und 14 Jahren sind auf dem Correctionsdamm beim Weserschen Haus in Kleinzadel beim Schlittschuhlaufen, obwohl die Eisdecke ziemlich dünn ist. Sie wollen sich schon auf den Heimweg machen, da vermisst einer von ihnen den Schlittschuhschlüssel. Die Kinder suchen gemeinsam, und dann passiert es: Das Eis bricht. Zwei Kinder werden von Ernst Risse durch Zureichen einer Stange gerettet, aber für vier Jungen kommt jede Hilfe zu spät. Erst um 22 Uhr werden sie von den Helfern tot aus der Elbe geboren. „Es war eine unbeschreibliche Trauer“, heißt es im Bestattungsbuch.

Roland und Annemarie Holschowsky mit Dokumenten und Beileidskarten aus dem Jahr 1902.
Roland und Annemarie Holschowsky mit Dokumenten und Beileidskarten aus dem Jahr 1902. © Jürgen Müller
Wurde nur elf Jahre alt: Albert Holschowsky (rechts) mit Bruder Ernst.
Wurde nur elf Jahre alt: Albert Holschowsky (rechts) mit Bruder Ernst. © privat

115 Jahre ist das jetzt her. Seitdem gibt es auf dem Friedhof in Zadel ein aufwendig gestaltetes Grabmal für gemeinsam im Elbstrom umgekommene Kinder. „Sie fanden ihren gemeinsamen Tod im Elbestrom“ heißt es auf der Aufschrift. „Das Ereignis hat vier Familien in schweres Herzensleid versetzt. Alle Bewohner haben wahre Nächstenliebe gezeigt. Möge der Allmächtige solche Schicksalsschläge von weiteren Familien abhalten“, heißt es in einer Chronik.

„Dieses Denkmal gibt dem Friedhof eine gewisse Charakteristik und ist zugleich Mahnung für alle Vorübergehenden, welche Gefahren von der Elbe ausgehen können“, sagt Pfarrer Gerold Heinke. Doch im vergangenen Jahr musste das Denkmal abgebaut werden. In den unteren Auflagesteinen gab es Brüche, wodurch sich die Grabanlage stark neigte und Gefahr lief einzustürzen, so der Pfarrer. Um Schaden am Bauwerk und besonders für die Friedhofsbesucher abzuwenden, musste es abgebaut werden. Die Kosten für die Demontage wurden durch den Landkreis Meißen, Spenden und die Kirchgemeinde getragen. Die demontierte Grabanlage lagert nun in Einzelteilen auf dem Friedhof und wartet auf den Wiederaufbau.

Für diesen Wiederaufbau werden Kosten in Höhe von 6 000 Euro erwartet. Diese kann die Kirchgemeinde nicht allein tragen und bittet um Spenden. 650 Euro sind schon zusammengekommen. „Wir haben bei der Landeskirche 1 600 Euro beantragt. Ob wir das Geld bekommen, ist aber noch nicht sicher“, sagt Birgit Seidel, Verwalterin in der Evangelisch-lutherischen Andreas-Kirchgemeinde Zadel.

Weiteres Geld ist in Aussicht. So hat die Ostdeutsche Sparkassenstiftung 1 500 Euro in Aussicht gestellt. „Sie hat die Auszahlung aber an eine Bedingung geknüpft. Nämlich daran, dass sich die Gemeinde Diera-Zehren mit ebenfalls 1 500 Euro an dem Wiederaufbau beteiligt“, so Birgit Seidel. Eine Zusage gibt es jedoch nicht. Diera-Zehrens Bürgermeisterin Carola Balk (parteilos) habe angekündigt, dass sich die Gemeinde mit 300 Euro beteiligen wolle. Dann wäre allerdings das Geld der Sparkassenstiftung futsch. Die Bürgermeisterin sah sich innerhalb von vier Wochen nicht in der Lage, auf mehrere schriftliche Anfragen dazu zu antworten, wie viel Geld die Gemeinde dazu gibt. Unabhängig davon braucht die Kirchgemeinde weitere Spenden, um das Denkmal, das in seiner Art einmalig in der Region sein dürfte, wieder aufzubauen.

Freuen würden sich darüber auch die heute noch lebenden Nachfahren der Verunglückten wie Roland Holschowsky aus Kleinzadel. Sein Onkel war einer der vier Jungen, die beim Schlittschuhlaufen ertranken. „Obwohl ich damals noch gar nicht geboren war, haben wir in der Familie oft über dieses Ereignis gesprochen“, sagt der 89-Jährige. Die Angehörigen der Opfer hätten sich jedes Jahr in der Grabgemeinde Kleinzadel getroffen, sagt seine 88-jährige Ehefrau Annemarie. Diese Grabgemeinde stellte einst die Träger, als die Toten noch von zu Hause auf den Friedhof zur Beerdigung getragen wurden. Diese Funktion hat sie zwar heute nicht mehr, das übernehmen Bestattungsunternehmen, die Grabgemeinde gibt es aber immer noch. In ihr ist jetzt die Tochter der Holschowskys vertreten. „Bis vor 40 Jahren wurde das Grab noch bepflanzt. Doch nach und nach sind die Angehörigen gestorben. Es wurde dann veranlasst, dass eine Steinplatte draufgesetzt wurde“, sagt Albert Holschowsky. Sehr oft sei er an dem Grabmal gewesen. An Totensonntagen hätten sie Blumen hingebracht. Der Kleinzadeler hält ein Bild seines verstorbenen Onkels in den Händen, auf dem dieser zu seinem Schulanfang zu sehen ist. Daneben steht sein Bruder Ernst, der Vater von Roland Holschowsky. Es ist die einzige Erinnerung an seinen verunglückten Onkel Albert, der nur gut elf Jahre alt wurde. Ob das Denkmal an dieses Drama als weitere Erinnerung wieder aufgebaut werden kann, ist noch unklar.

Spenden können auf das Konto der Kassenverwaltung Dresden unter IBAN: DE37 3506 0190 1667 2090 52 mit Zweck: RT 2354 Spenden Flutopferdenkmal oder direkt im Pfarramt an der Werdermannstraße 25 in Meißen eingezahlt werden.