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Tod eines Terriers

Einer Dresdner Familie wurde der Hund von einem Rottweiler tot gebissen. Zwei Kinder mussten alles mit ansehen.

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© Sven Ellger

Von Gunnar Klehm und Christoph Springer

Sabine M. ist auch eine Woche nach den dramatischen Minuten in ihrer Wohnung erstaunt über sich selbst. Wie energisch sie dem fremden Rottweiler gegenübertreten konnte, der plötzlich im Flur stand. Und dort ihren kleinen Jack-Russel-Mischling Jasper tot biss.

Jene Szene hat sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Wo der Rottweiler herkam, kann sie nicht mehr sagen. Er hatte sich an ihr vorbeigeschlichen und sofort auf Jasper gestürzt. Der viel kleinere Terrier legte sich noch demütig auf den Rücken. Doch der Rottweiler biss dem Familienhund wie im Blutrausch ins Genick und hielt ihn zwischen seinen Zähnen fest. „Von einem Kampf konnte keine Rede sein“, sagt Sabine M. Besonders dramatisch wurde die Situation, als Sabine M.s’ Kinder hinzueilten, weil sie ihren Hund verteidigen wollten. „Ich habe immer wieder ins Treppenhaus ,Hilfe, Hilfe‘ geschrien, bis ich heiser war“, sagt die Mutter. Doch niemand kam.

Da schnappte sich ihr 13-jähriger Sohn einen Wanderstock und prügelte auf den Rottweiler ein. Doch der ließ nicht von Jasper ab. Im Gerangel spritzte Blut auf Boden und an Wände. Der jüngere Sohn stand geschockt daneben. Schließlich fand Sabine M. ihr Pfefferspray und sprühte es auf den weglaufenden Rottweiler. Im Treppenhaus ließ der schließlich den längst toten Jasper in eine Blutlache fallen. „Erst da kam eine Frau aus einer Nachbarwohnung hinzu. Da wurde mir bewusst, dass es deren Rottweiler gewesen war, der gerade in unserer Wohnung gewütet hatte“, sagt die noch immer geschockte Frau.

Inzwischen ist das Blut aufgewischt, die Wände sind mit frischer Farbe überstrichen. Doch längst nicht ausgeheilt sind die Verletzungen in den Seelen von Sabine M. und ihren Söhnen. Denn die nachfolgenden Reaktionen können sie nicht verstehen. Die informierte Polizei kam zwar vorbei. „Doch die Beamten erklärten uns gleich, dass es sich formaljuristisch nur um einen Angriff einer Sache auf eine andere handele“, sagt die Striesenerin. Der Rottweiler blieb an jenem Abend im Haus.

„Ich war fassungslos“, so Sabine M. Erst am nächsten Tag brachte das Ordnungsamt den Rottweiler ins Tierheim. Sie selbst wurde nicht mal informiert. „Das war meinen Jungs so wichtig. Man hat richtig gesehen, wie erleichtert sie bei der Nachricht waren. Kindern müsste in solchen Fällen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ Seitdem hat die Familie viel miteinander geredet und sich psychologisch beraten lassen. Wie bekannt wurde, gab es schon vor der Tötung ihres Hundes Probleme mit dem Rottweiler. Andere Anwohner des Mehrfamilienhauses hatten sich zuvor bereits beim Vermieter, der BBV Baubetreuungs- und Verwaltungs-GmbH, über den frei laufenden Hund beschwert.

Die Vermieterfirma mit Sitz in Radebeul, die ihren Rechtsanwalt Hans-Dieter Pals für sich sprechen lässt, wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. Auch zur Hausordnung und dem Umgang mit Haustieren allgemein lehnte das Unternehmen jede Stellungnahme ab. Die Firma soll den Besitzern des Rottweilers aber zu Mitte Februar gekündigt haben. Die Sächsische Zeitung hat sich um Kontakt zu den Besitzern des Rottweilers bemüht, bislang vergeblich.

Ob die Halter ihren bissigen Hund jemals zurückbekommen, ist völlig offen. Das entscheidet das Ordnungsamt. „Wenn die Ermittlungen zum Sachverhalt abgeschlossen sind, wird zu entscheiden sein, ob der Hund als gefährlich im Einzelfall einzustufen ist“, teilte die Stadtverwaltung mit. Denn anders als American Staffordshire Terrier und Bullterrier gelten Rottweiler nicht per Gesetz als gefährliche Hunde. Sie werden als solche eingestuft, wenn sie sich „gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv erwiesen haben“, teilte Rathaussprecher Karl Schuricht mit. Das ist dann der Fall, wenn sie zum Beispiel „durch Zucht, Haltung oder Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität entwickelt haben“. Die kann dann so weit reichen, dass diese Hunde „Menschen oder Tiere angreifen, ohne dazu provoziert worden zu sein“.

Sollte das für den Rottweiler gelten, müsste der Halter nachweisen, dass er in der Lage ist, mit einem gefährlichen Hund umzugehen. Dazu gehören nicht nur das nötige Wissen und Zuverlässigkeit. Im sächsischen „Gesetz zum Schutze der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden“ steht auch, dass der Halter seinen Vierbeiner in Treppenhäusern von Mehrfamilienhäusern immer an die Leine legen muss und dass der Hund dabei einen Maulkorb zu tragen hat. Außerdem muss er ausbruchssicher und artgerecht untergebracht sein. Frühestens wenn das Ordnungsamt hinter alle diese Anforderungen einen Haken machen kann, darf der Rottweiler, der Jasper tot gebissen hat, in die Wohnung zurück.