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Tischler in vierter Generation

Steffen Bellmann setzt fort, was sein Urgroßvater in Röthenbach begann. Am Sonntag öffnet er seine Werkstatt für Besucher.

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© Egbert Kamprath

Von Regine Schlesinger

Röthenbach. Tischlermeister Steffen Bellmann biegt um die Hausecke mit einem Brett unterm Arm, das kein Ende zu nehmen scheint. „Achtung!“, ruft er und bugsiert das gute Stück mit Überlänge vorsichtig in seine Werkstatt. Da liegt es nun, misst exakt 5, 12 Meter und wartet auf seinen Einsatz. Er kommt am Sonntag, der dem traditionellen Handwerk gewidmet ist. An diesem Tag lässt auch der Röthenbacher in seine Werkstatt in der Bergstraße 13 gucken und nicht nur das. Wer will, kann sich auch selber einen Hobel schnappen und an dem langen Brett versuchen, einen möglichst ebenso langen Hobelspan zu produzieren. Steffen Bellmann bezweifelt allerdings, dass die 5,12 Meter erreicht werden. „Aber so um die zwei Meter könnten es schon werden“, sagt er. Dem Brett zu Leibe gehen können die Besucher mit einem langen Raubankhobel. Steffen Bellmann besitzt sogar noch den, mit dem schon sein Urgroßvater gearbeitet hat, der Begründer des Familienunternehmens.

Paul Bellmann war eigentlich Landwirt. Mit der Tischlerei fing er an, um noch ein bisschen was dazu zu verdienen, wie das viele Bauern damals taten. Per Zufall stieß Steffen Bellmanns Mutter vor etlichen Jahren auf ein großes schwarzes Buch. Praktische Buchführung steht drauf. Darin hat Paul Bellmann einige Seiten lang sorgsam seine Auftraggeber, die Tischlerarbeiten und die Einnahmen notiert. Der erste Eintrag stammt vom 10. Oktober 1896. „Stuhl repariert und gestrichen, 80 Pfennig“, steht da. Gegen Ende des Jahrhunderts enden auch die Einträge. Warum, lässt sich nur vermuten. Paul Bellmann hat dann ein Haus gebaut, das Haus, in dem sich noch heute die Werkstatt befindet, die sein Sohn Alfred weiterführte und danach dessen Sohn Günter. Mit Steffen Bellmann steht mittlerweile die vierte Tischlergeneration an der Werkbank. Der heute 52-Jährige übernahm die Werkstatt 1995 von seinem Vater. „Und die fünfte Generation gibt es auch schon“, sagt er. So wie seine tischlernden Söhne ist auch er ins Handwerk quasi reingewachsen. Nach der Schule half er ab und zu bei seinem Vater aus. Dafür gab es dann ein bisschen Geld fürs Moped-Benzin, erinnert er sich. Und nach der Schulzeit? „Da gab es eigentlich nichts anderes als die Tischlerei.“ Die Lehrzeit absolvierte Steffen Bellmann bei seinem Vater.

Auch ökologische Aspekte sind wichtig

Handwerk hat goldenen Boden, diesen Satz würde der Röthenbacher so nicht unterschreiben, denn manchmal sei es auch ein Fass ohne Boden. Die bittere Erfahrung, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, für ordentlich abgelieferte Arbeit auch ordentlich bzw. überhaupt bezahlt zu werden, hat auch er nach der Wende machen müssen. Einmal sei er fast so weit gewesen, sich einen anderen Gelderwerb zu suchen. „Es ist schwer, heute noch Tischlerarbeit machen zu dürfen, vor allem auf dem Lande“, sagt er. Denn die Tischlerei ist zum Nischenhandwerk geworden. Möbel, Fenster, Türen – alles gibt es industriell gefertigt. Aber nicht alles passt überall, und dann ist der Tischler mit seinem Handwerk gefragt.

Steffen Bellmann fertigt Schränke, Tische, Eckbänke und andere Möbelstücke an, ebenso Fenster oder Türen und inzwischen auch Treppen. Er sieht sich selbst nicht bloß als Tischler, sondern auch als Maler. Ohne den nötigen Anstrich verlässt kein Stück seine Werkstatt. Auch mit dem ökologischen Bauen beschäftigt er sich, setzt zum Beispiel Thermo-Hanf statt Bauschaum zum Verfugen ein. Vom Einbau von Kunststofffenstern, auf den viele seiner Kollegen umgestiegen sind, hat er sich verabschiedet. „Ich arbeite nur noch mit Holz“, sagt er. Wie gut er das macht, davon können sich die Besucher am Sonntag selber ein Bild machen.

Tag des traditionellen Handwerks, 18. 10., 10-17 Uhr

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