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Tilo Kempe ist tot

Der Radebeuler Architekt ist in der Nacht zum Montag im Alter von 52 Jahren gestorben. Er hat für die Stadt gekämpft, wie selten einer.

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© André Wirsig

Von Peter Redlich

Radebeul. Als die Elbe 2002 Radebeul zu ertränken versuchte, stand Tilo Kempe mit alten, aus den Archiven geholten Plänen auf dem frisch aufgeworfenen Deich in Naundorf. Neben ihm Radebeuls gerade erst gewählter Oberbürgermeister Bert Wendsche. Beide schlugen sich Tag und Nacht um die Ohren, um mit vielen Radebeulern im Bunde Siedlungen und Betriebe vor den Fluten zu retten.

Es war meine erste Begegnung mit dem damals 39-jährigen Architekten, der schon vorher tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen hatte. Dass es Altkötzschenbroda so schön wie heute gibt, daran hat Tilo Kempe ganz viel Anteil. Er hat sich als Gründungsmitglied des Radebeuler Vereines für Denkmalpflege und neues Bauen schon zu Vorwendezeiten dafür eingesetzt, dass Bewahrenswertes nicht lieblos abgerissen wird und nüchternem Beton weichen muss. Auch wenn das Alte zu bewahren viel mehr Mühe macht. Am Dorfanger in Altkötzschenbroda hat er mit seiner damaligen Frau Bettina einen Hof saniert. Vorbildlicher geht es nicht. Zuvor bereits stürzte er sich mit seiner Familie in das Abenteuer Haus Lotter. Das damals heruntergekommene Fachwerkhaus an der Winzerstraße gehört heute genauso zu den Wahrzeichen wie das Weinhaus Lorenz am sächsischen Weinwanderweg. Im Haus Lotter hat Tilo Kempe viele Jahre gewohnt und auch sein Architekturbüro eingerichtet.

Sachlich und respektvoll

Mit ihm über Gebäude in Radebeul zu sprechen, war immer mit Geschichten zu den Menschen um und in den Häusern und Gärten verbunden. Wenn er als Planer und Baubeauftragter mit seinen Mitarbeitern eine Aufgabe anging, dann mit dem Herzen. Der Geldbeutel des Bauherrn war nicht das erste Thema, sondern die Seele des Hauses.

Für das, was er gebaut und saniert hat, stehen an nicht wenigen Häusern Preistafeln für hervorragende Bauqualität.

Tilo Kempe hat solche Ehren nie vor sich hergetragen. Seine Freude war eher eine innere Genugtuung, es eben doch geschafft zu haben. Nicht selten im Gegensatz zu Zweiflern oder gar Besserwissern. Wenn Tilo Kempe seine Meinung äußerte, so geschah das zwar deutlich, aber mit Bedacht und dem Respekt vor dem Andersdenkenden. Dafür schätzten ihn seine Mitstreiter in der CDU-Fraktion im Radebeuler Stadtrat wie im Kreisrat in Meißen. Wenn der Architekt etwas beisteuerte, dann hörten wirklich alle zu, auch wenn nicht jeder seine Meinung teilte. Eben weil Tilo Kempe nicht allein redete, sondern mit gesundem Menschenverstand Vorschläge einbrachte, wie es wirklich besser gemacht werden könnte.

Einer seiner letzten großen Einsätze galt 2014 der Meißner Straße. Dort, wo auf Radebeuls wichtigster Magistrale ein prägendes Haus und Grundstück nach dem anderen verfällt oder gar leise verschwindet, wollte Tilo Kempe mit seinen Mitstreitern vom Denkmalverein den architektonischen Niedergang nicht nur aufhalten, sondern umkehren. Seine Gedanken sind mittlerweile Teil neuer Stadtplanung.

Nicht zuletzt war der Radebeuler begeisterter Berliner-Roller-Fahrer und seit drei Jahren auch Pilot. Während der Ausbildung 2013 schoss er aus der Luft einzigartige Fotos von der Flut in Radebeul und stellte sie der SZ zur Verfügung.

In der Nacht zum Montag ist Tilo Kempe im Alter von nur 52 Jahren innerhalb von wenigen Monaten einer schweren Krankheit erlegen. Er wird seiner Familie und uns allen sehr fehlen.