Merken

Tierschutz falsch verstanden

Beim Bautzener Tierschutzverein häufen sich die Anzeigen. Doch ein Großteil davon ist unberechtigt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Carmen Schumann

Von Nancy Riegel

Der Nachbar im Haus gegenüber hat einen Hund. Der kläfft oft minutenlang. Sein Zwinger befindet sich auf dem Hof, selbst im Winter schläft er dort. Das ist doch Quälerei. Oder? „Nicht unbedingt“, sagt Thomas Zavadil. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender des Tierschutzvereins Bautzen. Bei ihm gehen alle Meldungen von angeblicher Quälerei oder Vernachlässigung von Tieren ein. Seit 2008 hat er diese Aufgabe. Er weiß: Nicht alle Anzeigen sind berechtigt. Oft dramatisieren die Anrufer die Situation – meist aus Unwissenheit.

An die 20 Anzeigen aus dem Landkreis Bautzen sind in diesem Jahr bei den Tierschützern eingegangen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins gehen jedem Hinweis nach. Was sie jedoch ärgert: Ein Großteil der Anzeigen ist unbegründet.

Wettergeschützte Hütte notwendig

„Nur weil ein Hund im Zwinger oder angekettet ist, kann man noch nicht von Tierquälerei sprechen“, sagt Zavadil. Für beide Formen der Haltung gibt es gesetzliche Vorschriften. So muss die Länge eines Zwingers mindestens der doppelten Körperlänge eines Tieres entsprechen und wenigstens eine Seite muss den Blick nach draußen ermöglichen. Werden Hunde angekettet gehalten, muss die Leine länger als sechs Meter sein und eine wettergeschützte Hütte muss zur Verfügung stehen. „Ich finde es auch besser, wenn Hunde im Haus gehalten werden. Aber solange sich die Halter an das Gesetz halten, ziehen die Mitarbeiter vom Tierschutzverein wieder unverrichteter Dinge ab“, so Zavadil.

Die ehrenamtlichen Helfer haben ohnehin keine Berechtigung, ein Tier seinem Halter wegzunehmen. Wenn sie bei ihren unangekündigten Kontrollbesuchen Mängel entdecken, können sie nur Tipps geben oder – wenn eine wirkliche Gefährdung des Tieres vorliegt – das Veterinäramt verständigen. Das kommt aber sehr selten vor, dieses Jahr beispielsweise noch gar nicht.

Oftmals ist der Weg zu den Haltern verschenkte Zeit, denn die Anzeigensteller dramatisieren die Situation. Oder – und das ärgert Zavadil besonders – das Haustier ist ein Opfer von Nachbarschaftsstreit oder Tierhassern. Der Anruf beim Tierschutzverein ist dann nur ein Mittel, den Angezeigten zu verärgern. Dementsprechend reagieren viele Tierbesitzer mit Unverständnis oder sogar Wut, wenn sie kontrolliert werden, obwohl es ihrem Hund, ihrer Katze oder ihrem Pferd gut geht.

Verbotene Halsbänder konfisziert

Andererseits gibt es immer wieder berechtigte Hinweise. Uwe Bär, der Leiter des Tierheims in Bloaschütz, verweist auf einen Hof in Kleinbautzen, der 2013 vom Veterinäramt geräumt wurde, weil der Besitzer Hunderte Tiere unter katastrophalen Bedingungen hielt. Viele der Katzen und Hunde kamen damals ins Tierheim. Auch hat Bär bei Hundehaltern schon verbotene Halsbänder konfisziert, wie Elektroschockbänder oder Stachelwürger. „Das sind aber wirklich Ausnahmefälle. Viel häufiger erhalte ich Anrufe von übervorsichtigen Tierfreunden, die ich am Hörer beschwichtigen muss“, sagt er. Zum Beispiel rufen Menschen bei ihm an, die der Meinung sind, dass Katzen keinesfalls im Winter vor die Tür gehen dürfen. Und dass eine Schafherde nicht mit den Füßen im Schnee stehen sollte. Und dass es gefährlich ist, wenn Fledermäuse unterm Dach leben. „Manche Menschen haben eben keine Ahnung von der Natur der Tiere“, sagt Bär.

Ärgerlich kann das für Katzenbesitzer sein, die ihren Samtpfoten Freigang gewähren. Nicht selten kommt es vor, dass eine freilaufende Katze eingefangen und angefüttert wird, weil die Finder davon ausgehen, dass das Tier niemandem gehört. Wenn diese Katzen dann im Tierheim landen, müssen sie Glück haben, dass ihre eigentlichen Besitzer sie dort wiederfinden. „Die Halter müssen nachweisen, dass die Katze ihnen gehört. Und sie müssen dann wohl oder übel auch die Rechnung für den Aufenthalt und die Kosten für den Tierarzt tragen, falls dieser zum Einsatz kam“, so der Tierheimleiter. Das sind die Fälle, in denen Tierschutz falsch verstanden wird.

Thomas Zavadil versichert, dass er und seine Kollegen weiterhin jedem Hinweis nachgehen werden. Doch appelliert er auch an das Einschätzungsvermögen der Tierfreunde. Erscheint ein Haustier abgemagert, zottelig oder weist es unbehandelte Verletzungen auf, ist es immer der richtige Schritt, den Tierschutz zu informieren. Aber nicht weil eine Katze laut miaut. „Da sind die Tiere wie wir Menschen: Manche sind halt einfach lauter als andere. Das heißt nicht, dass es ihr oder ihm deshalb unbedingt schlecht geht.“