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Hoher Zaun gegen Diebe

Für die Einbruchserie im Naturschutz-Tierpark Görlitz ist endlich eine Lösung in Sicht. Höchste Zeit, denn die Täter werden immer unverschämter.

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© nikolaischmidt.de

Von Laura Ziegler

Wer dieser Tage durch den Görlitzer Tierpark streift, könnte eine Führung mit ganz neuem Themenschwerpunkt buchen: Schadensbegutachtung. Ungläubig müssten Besucher dann an verschiedenen Orten im Gelände feststellen, welchen Dreistigkeiten Bewohner und Personal des Tierparks derzeit ausgesetzt sind. 13 Fälle von versuchten oder vollendeten Diebstählen sowie Sachbeschädigungen wurden der Polizei allein zwischen Januar 2014 und Juli 2015 gemeldet. Tatort-Zuschauer würden angesichts dieser Zahlen wohl von einer Serie sprechen, Tierparkdirektor Sven Hammer findet für die Taten nur noch zynische Worte: „Wir haben nicht nur tagsüber, sondern auch nachts eine massive Besuchersteigerung.“ Zuletzt entwendeten Diebe am Montag jene Lichtstrahler, die bei nächtlicher Bewegung den Tierpark hell erleuchten und somit gegen Übergriffe schützen sollten.

Schutzzaun kostet 285 000 Euro

Nun, nach Monaten der Frustration, ist ein Ende der Serie in Sicht. Künftig soll der Tierpark mit einem 2,50 Meter hohen Zaun geschützt werden, der auch noch unter Strom steht. Im Moment steht eine Art Gartenzaun um den Park. „Für den Bau der neuen Anlage, der 285 000 Euro kosten wird, bekommen wir finanzielle Mittel aus dem Mauerfonds. Auch die Stadt hat ihre Unterstützung zugesagt“, freut sich Sven Hammer, der weiß, dass die Einfriedung die einzige Lösung für die aktuellen Probleme ist. Lange genug haben die Täter Nerven und Finanzen aller Beteiligten strapaziert. Zu Beginn der Serie haben sie sieben Kupferrohre entwendet. Sven Hammer vermutet, dass der Tierpark in den Fokus der Diebe geraten ist, weil er inzwischen sehr bekannt und präsent ist. Verstehen muss er die Täter deshalb nicht – vor allem, da ihre Raubzüge immer skurriler werden. „Als wir keine Kupferrohre mehr hatten, wurden alle drei Futterautomaten geklaut“, erzählt Hammer. Vermutlich hatten es die Diebe nur auf deren Inhalt abgesehen. Sicherheitshalber haben sie die Automaten aber gleich ganz herausgerissen und mitgenommen. Viel zu erbeuten gab es bei den Streifzügen wohl nicht, Sven Hammer spricht von 20 Euro. Den Tierpark kostet jeder dieser Diebstähle allerdings 2 000 Euro. Ein Fall aus dem September vergangenen Jahres klingt ähnlich irrsinnig. Damals haben zwei junge Männer einen Panda aus Plastik, in dem Geld zum Schutz seiner lebenden Artgenossen gesammelt wurde, gewaltsam zerstört und verschleppt. Inhalt? „Vielleicht zehn Euro“, so Hammer.

Gazelle stirbt in Panik vor Dieben

Um den Eindringlingen, die der Tierparkdirektor als „Ganoven“ bezeichnet, eine Angriffsfläche weniger zu bieten, haben die Mitarbeiter inzwischen alle Spendenboxen entfernt. Viel mehr als solcher Aufwand und der finanzielle Schaden, der inzwischen über 20 000 Euro beträgt, ärgert den Direktor jedoch der Stress, dem seine Tiere durch die nächtlichen Einbrüche ausgesetzt sind: „Eine Gazelle ist sogar schon verstorben, weil sie panisch gegen das Gehege gerannt ist und sich das Genick gebrochen hat.“ Außerdem wird den Tieren durch Schäden an den Gehegen mitunter unfreiwillig Ausgang gewährt. „Eines Morgens kamen uns die Hirsche schon im Tierpark entgegen“, erinnert sich Hammer.

Aktuell wird das Personal zumeist in die passive Rolle der „Aufräumer“ gedrängt. Jeden Morgen sind der Direktor und seine Kollegen unterwegs, um den Zaun nach Löchern zu kontrollieren. Da der Bau der neuen Einfriedung vermutlich erst in einem Jahr beginnt, haben Sven Hammer und sein Team überlegt, wie sie die Störenfriede bis dahin fernhalten können. Die Lösung lautet „DNA-Sicherung“. Alle Gegenstände im Gelände, die für Diebe attraktiv sein könnten, werden nun mit einer Substanz markiert. Wenn die Polizei das Diebesgut später findet, kann dieses unter UV-Licht betrachtet und zugeordnet werden. Doch damit nehmen die Absurditäten kein Ende. Nachdem alle technischen Geräte markiert wurden, haben die Täter im Restaurant stattdessen Fleisch und Alkohol mitgehen lassen.

Andere Einrichtungen in der Region bleiben derzeit von solch dreisten Übergriffen verschont. Andreas Stegemann, Technischer Direktor des Zittauer Tierparks, berichtet erleichtert: „Seit dem Hochwasser 2010 haben wir zum Glück keine Einbrüche mehr zu verzeichnen.“ In Görlitz fahndet die Polizei inzwischen auf beiden Seiten der Neiße nach den Einbrechern. In einem Fall konnten zwei deutsche, in einem anderen zwei polnische Staatsbürger auf frischer Tat ertappt werden.

Anlage mit Zaun auch „fuchssicher“

Ganz ohne fremde Hilfe und DNA-Sicherung ist ein weiterer ungebetener Gast, der regelmäßig in den Tierpark eindringt, zu identifizieren: Der Fuchs. Seine Streifzüge bereiten Sven Hammer derzeit ebenso große Sorgen wie die Einbrüche. „In der Vergangenheit haben Füchse zwischen 30 und 40 Hühner und Enten gerissen“, klagt der Direktor. „Deshalb halten wir keine Enten mehr auf dem Teich, außerdem müssen die Störche nachts eingesperrt werden.“ Die geplante Schutzvorrichtung wird auch diese Probleme lösen und die Anlage „fuchssicher“ machen. Welche Störenfriede ihn bis dahin am meisten ärgern, kann Sven Hammer nicht eindeutig sagen: „Aus tiergärtnerischer Sicht stört mich der Fuchs mehr“, so der Direktor. „Aber als kritischer Betrachter unserer Gesellschaft finde ich die Diebstähle viel, viel schlimmer.“