Merken

Tierfreunde und Menschenretter

Die Rettungshundestaffel Kamenzer Land arbeitet ehrenamtlich. Der Rotary Club Kamenz würdigt das mit 500 Euro.

Teilen
Folgen
NEU!
© René Plaul

Von Frank Oehl

Der letzte große Einsatz liegt noch nicht lange zurück. Am 1. Februar gegen 23 Uhr schlug das Pflegeheim St. Johannes in Schmeckwitz Alarm. Eine fast 75-jährige Heimbewohnerin war weg. Offenbar hilflos irrte die Frau durch die kalte Nacht. Die Polizei begann mit der Vermisstensuche. Für die Beamten des Reviers in Kamenz ist dies durchaus mit einigem Zeit-Stress verbunden. Polizeirätin Susann Benad-Uslaub: „Gerade bei Kindern, Jugendlichen und Älteren zählt mitunter jede Stunde,“ So war auch hier Eile angesagt. In diesem Fall können und müssen die Ordnungshüter auch auf ehrenamtliche Helfer zurückgreifen. Zum Beispiel die Rettungshundestaffel Kamenzer Land, deren Vereinssitz in Königsbrück liegt. Noch in der Nacht rückten 19 Menschen aus, die tagsüber einer geregelten Arbeit nachgehen. Unter Leitung von Vereinschef Jens Andörfer waren zwei Zugführer, neun Hundeführer und acht Helfer im Einsatz. Stundenlang. Und mit Erfolg: Die Vermisste wurde am 2. Februar gegen 13.50 Uhr einige hundert Meter vom Heim entfernt in einem stark bewachsenen Waldstück zwar schwer unterkühlt, aber zum Glück lebend gefunden. Ihr Geburtstag wurde so zum Wiedergeburtstag. Den Suchhunden sei Dank.

Nur als Team erfolgreich

Deren Erfolg kommt natürlich nicht von ungefähr. Jens Andörfer: „Die Ausbildung unserer Hunde beginnt praktisch mit der Geburt.“ Nach etwa zwei Jahren habe das Tier verstanden, um was es gehe. „Und noch ein Jahr drauf braucht der Hundeführer, um seinen Hund richtig zu lesen.“ Andörfer sagt dies mit einem leichten Schmunzeln um die Lippen, aber der Kern der Botschaft ist klar: Hier sind Tieffreund und Menschenretter als Team gefragt, zu dem als Dritter übrigens immer auch ein Helfer gehört. „Im völlig fremden Gelände müssen ja auch der Digitalfunk und die GPS-Ortung bedient werden.“

Freundlich-verspielt und verfressen

Gar nicht mehr fremd kommt der vierjährigen Cassie das Übungsgelände des Vereins im Wachauer Ortsteil Feldschlösschen vor. Hier wird zwei- bis dreimal die Woche geübt. Jana Schwipps ist Cassies Frauchen. Sie hat den natürlichen Neugier- und Suchtrieb des Hundes in eine lebensrettende Betätigung überführt. Andörfer: „Nicht jeder Hund ist gleichermaßen als Suchhund geeignet. Er muss mittelgroß, freundlich-verspielt und verfressen sein.“ Wieder eine kleine Überspitzung des Vereinschefs, die aber den Punkt trifft. Ein Zwergschnauzer im Hochgras ist ebenso ungeeignet wie eine Dänische Dogge, die im leerstehenden Haus womöglich nur eine Empore schafft. Und eine gesättigte „Schlaftablette“ nütze eh nichts. Mit der Alarmierung durch die Polizei müssen Hund und Herrchen/Frauchen hellwach sein.

Die Polizisten des Kamenzer Revieres jedenfalls wissen, was sie an der Rettungshundestaffel ganz in der Nähe haben. Sie ist Ergänzung und Verstärkung zugleich. Kriminalhauptkommissar Uwe Eckardt, der auch die Vermisstensuchen koordiniert, hat schon oft auf die Ehrenamtlichen zurückgegriffen (siehe Kasten). Sie ergänzen auch die eigenen Polizeihundekräfte, die freilich noch auf weitere Fähigkeiten abgerichtet sind – zum Beispiel als Fährtenhund. „Sie helfen bei der Vermisstensuche eher weniger, weil sie auf eine konkrete Geruchsspur trainiert werden.“ Hätte man einem Fährtenhund ein Taschentuch der 75-Jährigen zum Schnüffeln gegeben, wäre der Hund zunächst allen Spuren der Vermissten im Heim gefolgt, die er sogar noch nach Wochen nachvollziehen kann.  Das wäre mit Zeitverlust verbunden gewesen.

In Vermisstenfällen hilft die sogenannte „Hochwindsuche“. Der trainierte Hund geht im Gelände menschlichen Regungen und Aufregungen nach, die auch von Stress oder Todesangst herrühren. Der Hund sucht den Menschen, weil er sich von dort her besondere Aufmerksamkeit und eine Belohnung erhofft. Das hat er jahrelang geübt, aber ob es auch im Ernstfall funktioniert, muss er in regelmäßigen Einsatzüberprüfungen nachweisen. Cassie kann’s.

Mit Sammelbüchsen auf Märkten

Die Einsätze der Rettungshundestaffel sind kostenfrei. Aber keinesfalls billig. Allein die Ausrüstung mit einem Mannschaftstransportwagen, dem Funk, GPS, Kartenmaterial, Laptop, Drucker und sogar einem Notstromaggregat kostet Geld, viel Geld. Die Anschaffung wird gefördert, aber die Vereinsmitglieder investieren vor allem viel Privates in das menschenrettende Hobby. Auch aus diesem Grund sind Spenden wichtig. Andörfer: „Deshalb stehen wir regelmäßig mit unseren Sammelbüchsen auf Weihnachtsmärkten.“ Jetzt, kurz vor Ostern, hat sich übrigens der Rotary Club Kamenz entschlossen, das ehrenamtliche Engagement der Rettungshundestaffel Kamenzer Land e.V. mit einer Zuwendung zu würdigen. Auf das nebenstehende Konto des Vereins gehen demnächst 500 Euro.

Natürlich ist es nicht das Materielle, das die Vereinsmitglieder antreibt. Sie lieben Hunde und freuen sich über das durchaus emotionale Miteinander von Mensch und Tier. Und auch, wenn sie Lob nach einem erfolgreichen Einsatz erfahren. So wie nach der Suche Anfang Februar. Der Schmeckwitzer Heimleiter Thadäus Schiemann bat die Kamenzer Revierführerin, sein Dankeschön auch an alle beteiligten Einsatzkräfte weiterzugeben. Er schrieb: „Ich habe mich im Krankenhaus nach dem Befinden der Bewohnerin erkundigt und erfahren, dass sie sich körperlich wieder vollständig erholt hat und es ihr gut geht.“ Cassie und den anderen sei Dank ...