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Tiefschlag für Radebeuler „Bergziegen“-Betreiber

Seit Jahren schwelt in Dresden ein Nachbarschaftsstreit, der vor dem Landgericht Dresden endete. Jetzt gibt es ein Urteil

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© André Wirsig

Von Marie-Kristin Landes, Ulrike Kirsten und Kathrin Kupka-Hahn

Frank Schmöller-Dehn versucht, die Fassung zu bewahren. Noch hat der 41-jährige Radebeuler das Urteil nicht gelesen, das das Landgericht Dresden vor einer Woche verkündet hat. „Ich möchte zunächst die Begründung lesen, mich anschließend mit meinem Anwalt besprechen, wie wir weiter verfahren werden“, sagt der Eisdielen-Betreiber. Der Eigentümer der benachbarten Bergwirtschaft „Wilder Mann“, Rolf-Dieter Sauer, hatte gegen Schmöller-Dehn geklagt, weil dessen Eiscafé „Bergziege“ zu nah am Grundstück des Hotels liegt. Damit ist die Feuerwehrzufahrt zum Privatgrundstück von Schmöller-Dehns Schwiegervater nicht gesichert. Auf der einen Seite des Weges steht eine Begrenzungsmauer des Hotelgrundstücks, auf der anderen Seite das Eiscafé. Statt der gesetzlich vorgeschriebenen drei Meter ist der Abstand aber nur 2,60 Meter groß. Ein Bauwerk müsste also weichen.

Nun hat Richterin Ursula von der Beeck am Landgericht entschieden, dass Sauer die östliche Außenwand des Eiscafés abreißen dürfte – sobald das Urteil rechtskräftig ist. Denn noch hat Frank Schmöller-Dehn einige Wochen Zeit, die Entscheidung anzufechten. Tritt sie in Kraft, könnte Sauer die Bagger anrollen lassen. Das Gebäude könnte aber trotzdem bestehen bleiben. Das Haus müsste nach dem Abriss der Wand mit speziellen Trägern gestützt werden. Für Sauer würde das einen erheblichen Aufwand bedeuten, damit Schmöller-Dehns Gäste anschließend wieder in einem schmucken Eiscafé gastieren können.

Die SZ befragte dazu den erfahrenen Bausachverständigen Rainer Klöpzig vom Verein Verband privater Bauherren. „Das ganze Haus würde dann quasi ein Stück verrückt werden. Der Hausgiebel der Eisdiele müsste versetzt, das Fundament neu gegossen werden.“ Die Kosten schätzt er auf mindestens 5.000 bis 10.000 Euro. „Das ist wirklich ein ungewöhnlicher Fall“, so Klöpzig. Doch er verstehe das Urteil. Schließlich seien gesetzlich die drei Meter Abstand festgelegt. Für den Bautzner Bausachverständigen ist der Zustand an der Großenhainer Straße 245 notfalls akzeptabel. Denn ein Rettungsfahrzeug passe durch eine 2,60 Meter breite Einfahrt.

Sauer und sein Sohn Martin, Geschäftsführer der „Bergwirtschaft Wilder Mann“, wollen es gar nicht erst zum Äußersten kommen lassen. Beide seien an einer friedlichen Einigung interessiert, teilt Sauers Sprecher, Jürgen Schnell, auf SZ-Anfrage mit. Sie bieten die andere Variante an. Sauer habe bereits vor zwei Jahren seine Bereitschaft signalisiert, die Grundstücksmauer, die an die Zufahrt von Schmöller-Dehn grenzt, zu versetzen. Dazu sei er jetzt wieder bereit, wenn sich Schmöller-Dehn an den Kosten beteiligt, so Schnell. Im Gegenzug wolle Sauer einen Parkplatz bauen, der von den Hotelgästen und den Besuchern der Eisdiele genutzt werden könnte. Doch auch ein Teil dieser Kosten soll Schmöller-Dehn tragen.

Dabei hätte der Konflikt früher gelöst werden können. 2007, als Sauers Hotel eröffnet wurde, lagen die Einfahrten noch unbefestigt nebeneinander. Ein Feuerwehrfahrzeug wäre problemlos hindurchgekommen. Da es aber in den vergangenen Jahren immer wieder Ärger wegen parkender Autos an der Grundstücksgrenze gab, hat Sauer im Sommer 2011 eine Mauer aus Steinen errichten lassen und dabei festgestellt, dass der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und Eiscafé nicht stimmt. Kurz darauf reichte Sauer Klage ein.

Frank Schmöller-Dehn will jetzt erst den Kopf frei kriegen, sich vorerst nicht äußern. Denn für ihn steht weiterhin seine Zukunft auf dem Spiel. Mit dem Erlös, den er in der Eisdiele erwirtschaftet, ernährt er seine Frau und zwei Kinder. 2006 wurde die Eisdiele „Bergziege“ eröffnet. Den alten Kiosk im vorderen Teil des Grundstücks bauten der gelernte Koch und seine Frau in mühevoller Kleinarbeit zur ersehnten Eisdiele um. Auf dem hinteren Teil Richtung Hang errichtete Schmöller-Dehns Schwiegervater 2004 sein Einfamilienhaus. „Wir fahren jetzt erst einmal in den Urlaub. Schmöller-Dehns Gäste müssen sich jedoch nicht sorgen. Die Eisdiele bleibt geöffnet.“