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„This is Nikolaus“

Christliches Weihnachten ist für viele Flüchtlinge völlig neu. Eine Willkommensinitiative in Dresden versucht, beim gemeinsamen Plätzchenbacken deutsche Traditionen zu vermitteln, will aber nicht belehren. Gelingt der Spagat?

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© dpa

Von Simon Ribnitzky

Dresden. Fröhlich lachend bestreicht das junge Mädchen mit dem farbenfrohen Kopftuch Plätzchen mit Zuckerguss. Akribisch verteilt Leyla Shakuri danach bunte Streusel auf den Gebäckstücken. „Ich will alles über euer Weihnachten wissen“, sagt die 16-jährige Afghanin, die vor vier Monaten mit ihrer Mutter und ihren zwei Schwestern nach Deutschland geflohen ist. Erst vor wenigen Tagen hat die Familie die Erstaufnahme verlassen und ist in eine Wohnung im Dresdner Westen gezogen. Jetzt sitzen die vier gemeinsam mit Dresdner Familien zusammen und backen Plätzchen. „Stimmt es, dass ihr an Weihnachten Geschenke unter einen Tannenbaum legt?“, fragt Leyla auf Englisch.

Viele muslimische Flüchtlinge erleben in Deutschland zum ersten Mal ein christliches Weihnachtsfest aus der Nähe. „Wir wollen einfach zeigen, wie wir hier Weihnachten feiern, welche Traditionen uns wichtig sind - mehr nicht“, sagt Heidi Franzke von der Willkommensinitiative „Pieschen für Alle“, die das Plätzchenbacken organisiert hat. Die 71-Jährige nimmt einen Zettel vom Tisch. Ein Christbaum, Weihnachtskugeln und ein Nikolaus sind darauf abgebildet „This is Nikolaus“, erklärt Franzke einer jungen Irakerin, die mit ihren zwei kleinen Kindern zu dem Treffen gekommen ist, und deutet auf den Nikolaus.

Die Frau spricht kaum Deutsch oder Englisch, aber sie nickt begeistert und schreibt arabische Wörter neben die Bilder. Leyla und ihre Schwestern helfen beim Übersetzen. Auch das Smartphone mit einer englisch-arabischen Übersetzungs-App kommt immer wieder zum Einsatz. Heidi Franzke greift zu ihrer Gitarre und stimmt das Lied „Lasst uns froh und munter sein“ an. Hajar, die vierjährige Tochter der Irakerin, läuft zu Franzke hinüber und greift mit in die Saiten.

Weihnachtsfeiern mit muslimischen Flüchtlingen seien eine prima Idee, sagt der Vorsitzende des Interkulturellen Rats Deutschland, Jürgen Micksch. „Das kann man nur empfehlen.“ Auch für die Muslime sei Jesus ein wichtiger Prophet, auch wenn sie seine Geburt nicht feierten. Zudem lernten die Flüchtlinge bei solchen Feiern wichtige Dinge über die Traditionen und Bräuche in dem Land, in dem sie nun leben.

Der Sächsische Flüchtlingsrat warnt allerdings davor, die Flüchtlinge gleich zu überfordern. „Die meisten haben erst einmal andere Probleme, als sich hier ins Weihnachtsgetümmel zu stürzen“, sagt Patrick Irmer vom Flüchtlingsrat. Wichtig sei vor allem, gemeinsam Zeit mit den Menschen zu verbringen.

Genau das passiert beim Plätzchenbacken in Dresden-Pieschen. Der Bezug zu Weihnachten ist da, aber nicht entscheidend. Auch wenn die Verständigung nicht immer leicht ist: Es wird viel zusammen gelacht. Leylas Mutter spricht kein Wort Deutsch oder Englisch. Sie sitzt still mit am Tisch. Wenn die Kinder fröhlich Plätzchen mit Zuckerguss und Streuseln verzieren, lächelt sie.

Heidrun Angermann besucht sonst den Seniorentreff, der normalerweise in den Räumen der Volkssolidarität stattfindet. Ähnlich wie Leylas Mutter sitzt die 65-Jährige meist still zwischen den Familien. Sie stellt fest: „Die Leute, die sind auch nicht anders als wir.“ (dpa)