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Therapiestation im Rinderstall

Der Investor ist in der Region kein Unbekannter. Dennoch gibt es in der Gemeinde Vorbehalte. Der Bürgermeister zerstreut sie.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Hirschstein. Im Hirschsteiner Ortsteil Böhla soll eine Therapieeinrichtung entstehen. Trockene Alkoholiker und ehemalige Drogenabhängige sollen dort therapiert werden und einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Zu diesem Zweck hat die „Gesellschaft für soziale Einrichtungen“ (GSE) eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle in dem Ort gekauft. Deren Geschäftsführer Georg Heidig ist in der Region kein Unbekannter. Der Franke betreibt in der Gemeinde Klipphausen im Ortsteil Obermunzig eine sozialtherapeutische Wohnstätte und Außenwohngruppen sowie ambulant betreutes Wohnen. Auch der historische Gasthof „Alma Kasper“ in Burkhardswalde wird von der GSE nach einer umfangreichen Sanierung betrieben. „Mit dem Grundstückskauf in Böhla möchte die Gesellschaft ihr bewährtes Konzept zur dauerhaften Integration solcher Menschen in die Gesellschaft fortsetzen und ausweiten. Inhalt der Therapie ist auch eine sinnstiftende Beschäftigung der Betroffenen“, sagt der Hirschsteiner Bürgermeister Conrad Seifert (CDU). GSE-Eigentümer und Geschäftsführer Heidig hat seine Pläne in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgestellt. Demnach sollen die vorhandenen alten Ställe reaktiviert und wieder für die Tierhaltung genutzt werden. Konkreter äußerte sich Heidig aber nicht. Es würden „einige wenige Therapieplätze“ entstehen. In welchem Zeitraum dies passieren soll und wie viel Geld investiert werden soll, ließ er auch gegenüber der SZ offen. Es seien noch einige Dinge zu klären, ehe er sich zu seinen Plänen äußern könne, teilte er auf Nachfrage mit.

In Böhla und in der Gemeinde Hirschstein gibt es hingegen Vorbehalte gegen das Vorhaben. Es wird befürchtet, dass sich Drogensüchtige in dem Ort aufhalten. Bürgermeister Seifert dementiert das ausdrücklich: „Das ist ja gerade nicht der Fall. Die Leute, die dort untergebracht werden sollen, sind ja trocken, konsumieren also keine Drogen mehr“. Er sehe das geplante Vorhaben der GSE für die Gemeinde und für den Ort als eine Chance. Einerseits werde eine bisher brachliegende Hofstelle wieder mit Leben erfüllt, andererseits geschehe dies auch noch mit einer Nutzung, welche anderen Menschen helfe. Und im besten Falle würden sogar Arbeitsplätze geschaffen. Mit dem Hauptgeschäftsfeld der Therapie sei die GSE deshalb nicht als Konkurrenz zu den bestehenden Gewerbebetrieben zu sehen, sondern als Ergänzung, so der Bürgermeister.

Der 56-jährige Georg Heidig betreibt in Obermunzig mit seiner Gesellschaft seit 2001 eine sozialtherapeutische Wohnstätte, Außenwohngruppen und ambulant Betreutes Wohnen für Suchtkranke. Er hat selbst eine Drogenkarriere hinter sich. Nach eigenen Angaben hatte er im Alter von zwei Jahre seine erste Alkoholvergiftung, war jahrelang Junkie am Berliner Bahnhof Zoo. Seit einer Entgiftung und einer Langzeittherapie ist er „trocken“.

In der Anlage in Obermunzig leben 140 Menschen, darunter 26 Frauen. Die Älteste ist 83, der Jüngste 19. Es ist eine Dauereinrichtung, in der die Leute mit verschiedenen Aufgaben beschäftigt werden. Beispielsweise erledigen sie für die Gemeinde Klipphausen Winterdienst und Grünschnittarbeiten. Neben Obermunzig gibt es noch Wohnstätten in Rothschönberg und Burkhardswalde.

Das Projekt wird vom Freistaat Sachsen großzügig mit Fördermitteln unterstützt. So erhielt Heidig erst kürzlich 1,1 Millionen Euro für 18 Plätze für Crystal-Abhängige in Rothschönberg. Kurz nachdem die Fördermittel bewilligt waren, stellte Heidig einen neuen Antrag für weitere 44 Plätze.

Manche von Heidigs Projekten sind umstritten, beispielsweise ein Integrationsprojekt in einem Gasthof. Dort schenken trockene Alkoholiker auch Alkohol aus. Heidig rühmt sich mit einer Rückfallquote der Bewohner von nur 1,5 Prozent. Dies wäre mehr als bemerkenswert. Ein Meißner Richter spricht beispielsweise bei Crystal von einer Rückfallquote von 100 Prozent.

In der Gemeinde Hirschstein hofft man nun, dass das in Böhla gekaufte Anwesen nicht das Schicksal von Schloss Taubenheim teilt. Auch das hatte Heidig vom Landkreis Meißen abgekauft, laut dem Klipphausener Bürgermeister Gerold Mann (parteilos) aber zehn Jahre nichts daran gemacht. Danach verkaufte er es wieder. Hirschsteins Bürgermeister Conrad Seifert ist optimistisch, freut sich, dass nun möglicherweise ein alter Bauernhof wieder genutzt wird. „Alles ist besser als weiterer Verfall“, sagt er. (mit dob und ul)