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Teurer Besuch aus Washington

Auch wenn sonst derzeit nicht allzuviel gelingt – auf die Solidarität der USA kann die Führung in Kiew bauen.

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© dpa

Von Andreas Stein und Benedikt von Imhoff, Kiew

Für US-Vizepräsident Joe Biden ist das Ziel seines Besuchs in Kiew eindeutig: „Ukraine united“ (Vereinigte Ukraine) schreibt der Politiker seinem Hotel ins Gästebuch. Aber eine Einheit der Ex-Sowjetrepublik erscheint derzeit weit weg – angesichts der Bilder martialisch gekleideter Uniformierter, die über staatlichen Gebäuden in der Ostukraine russische Flaggen hissen. Und so setzt die US-Führung vor allem ein demonstratives Zeichen. „Wir stehen an eurer Seite“, betont Biden in Kiew. Emotional und schmeichelnd ruft er die Ukrainer zur Einheit auf: „Sie sind ein ganz, ganz, ganz starkes Volk!“

Die USA investieren nach eigener Darstellung in die demokratische Entwicklung des zweitgrößten Flächenstaats Europas. Konkret kündigte das Weiße Haus 50 Millionen US-Dollar (36,2 Millionen Euro) für „wirtschaftliche und politische Reformen“ an. Das dient auch der Finanzierung der Präsidentenwahlen am 25. Mai – laut Biden die wichtigste Abstimmung in der Geschichte des Landes. Hinzu kommen acht Millionen Dollar für das miserabel ausgerüstete Militär – etwa für Funkgeräte und Ausrüstung zur Kampfmittelbeseitigung. Damit steigt die „nicht tödliche“ Unterstützung für das Militär auf insgesamt 18 Millionen US-Dollar. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, so betont US-Topdiplomatin Victoria Nuland, haben die USA die Ukraine insgesamt mit rund fünf Milliarden Dollar unterstützt.

Im Gespräch sind zudem weitere Kreditgarantien für das fast bankrotte Land. Die Ex-Sowjetrepublik hätte damit die Möglichkeit, Staatsanleihen zu niedrigeren Zinssätzen zu platzieren. Um die Abhängigkeit Kiews von teuren russischen Gas-Importen zu senken, wären Hilfen bei einem seit Langem geplanten Flüssiggasterminal im Schwarzmeerhafen Odessa denkbar. Lieferungen könnten dann auch aus den USA kommen.

Die USA wollten bei der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl nicht einen bestimmten Kandidaten unterstützen, sondern unter anderem fast 2 000 Wahlbeobachter schicken – 250 davon über einen längeren Zeitraum. Experten sollen zudem beim Kampf gegen das „Krebsgeschwür der Korruption“ – so Biden wörtlich – helfen, und ein Team der Bundespolizei FBI arbeitet zudem in Kiew daran, unterschlagene Vermögenswerte zurückzubekommen.

Washington wolle dem nahezu bankrotten Land dabei helfen, unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden, kündigte Biden an. Moskau hatte nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch die Gaspreise für Kiew deutlich erhöht. Die Ukraine ist zudem das wichtigste Transitland für russisches Gas in Richtung Westen.

Biden traf sich gestern mit Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Regierungschef Arseni Jazenjuk sowie mit Parlamentariern aus allen Regionen des Landes. Dabei rief er prowestliche und prorussische Kräfte zur nationalen Einheit und zur gemeinsamen Arbeit an einer neuen Verfassung auf, welche die Interessen aller Ukrainer berücksichtigt.

In Richtung Russland hatte Washington zuvor mit weiteren Sanktionen und „hohen Kosten“ gedroht, falls Moskau nicht rasche Schritte zur Verwirklichung des in Genf vereinbarten Friedensfahrplans für die Ukraine unternehme. Zu den Beschlüssen gehören die Entwaffnung aller paramilitärischen Gruppen im Land sowie die Räumung besetzter Verwaltungsgebäude und Plätze. Russland fordert, dass auch ultranationalistische und regierungsnahe Gruppen die Waffen abgeben.

Unterdessen erinnert der von Interimspräsident Alexander Turtschinow befohlene „Anti-Terror-Einsatz“ gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine eher an eine Ansammlung von Pleiten und Pannen. Einheiten der ukrainischen Armee mussten sich wegen des friedlichen Widerstands der Zivilbevölkerung zurückziehen. Die Rede ist von Überläufern, die Stadt Slawjansk, ein zentraler Ort des Einsatzes, scheint völlig in der Hand der Aktivisten zu sein. Wer diese prorussischen Uniformierten sind, bleibt umstritten.

Inzwischen trafen erste Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Slawjansk (im Gebiet Donezk) ein. Die Separatisten sicherten zwar ihre Zusammenarbeit zu, zeigten sich aber skeptisch, dass die OSZE eine objektive Untersuchung vornehme. An der OSZE-Mission nehmen allerdings auch fünf Russen teil. Sie sind in Kiew sowie in der Millionenstadt Charkow eingesetzt. (dpa)