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Teure Scheidung von Clara

Der Verband der Selbstständigen will die Zetkinstraße behalten. Eine Namensänderung hätte für Geschäftsleute horrende Folgen.

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© Katja Frohberg

Von Thomas Möckel

Pirna. Aus dem Lüftchen wurde ein Sturm: Seit Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) zum Richtfest am Pirnaer Finanzamt die Stadt aufforderte, die angrenzende Clara-Zetkin-Straße in Waisenhausstraße umzubenennen, rollt eine Welle der Entrüstung durch Pirna. Mit heftiger Kritik, Spott, Ironie und Häme bieten die Pirnaer Sachsens oberstem Steuereintreiber Paroli. Die allermeisten lassen den Minister nett umschrieben wissen, dass er möglicherweise einen an der Waffel hat.

Claras Konterfei auf dem DDR-Zehner.
Claras Konterfei auf dem DDR-Zehner. © Repro: SZ

Eine kleine Minderheit hingegen glaubt, Unland habe seinen Vorschlag selbst nicht so ganz ernst genommen. Sie halten den ministerialen Wunsch, offenbar in richtfestbedingter Sektlaune geäußert, vor allem für eines: einen Witz. Zum Lachen ist in Pirna allerdings kaum einem zumute.

Nun bringt sich auch der Verband der Selbstständigen in Pirna mit vollem Ernst gegen Unlands Vorstoß in Stellung. Den Geschäftsleuten ist dabei völlig gleich, ob der Wunsch nach Namensänderung ernst gemeint oder eher ein Scherz war. Den Verband erregt schon, dass Unland überhaupt diesen Wunsch formulierte. „Allein schon ein solches Ansinnen sollte von einem seriösen Landespolitiker noch nicht einmal unter Alkoholeinfluss gedacht, geschweige denn gesagt werden“, so Verbandschef Tilo Kalkreiber.

Thema solle beendet werden

Ihren Unmut über eine geforderte Straßenumbenennung schrieben die Selbstständigen jetzt auch in einem offenen Brief an Pirnaer Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) nieder. Man könne nicht nachvollziehen, so formuliert der Verband, warum Hanke nach der Forderung Unlands zunächst eine Sitzung des Ältestenrates anberaume, bevor der Stadtrat darüber diskutieren soll. Aus Sicht des Verbandes sei es jetzt eher an der Zeit, auch von offizieller Pirnaer Seite das Thema ein für alle Mal zu beerdigen. „Es gibt wahrlich wichtigere Themen für die Stadt“, sagt Kalkreiber.

Angesichts der aus Dresden geforderten Straßenumbenennung lassen die Selbstständigen Pirnas Regenten noch eine weitere Erkenntnis wissen: Scheiden tut weh, vor allem auch finanziell. Sollte der Name Clara Zetkin vom Straßenzug verschwinden, hätte das für die Gewerbler zum Teil horrende Folgen.

Vorsorglich hat der Verband gemeinsam mit den in der Clara-Zetkin-Straße ansässigen Gewerbetreibenden zusammengetragen, welche Aufgaben und Kosten auf sie zukommen würden. Zunächst wäre eine Unmenge zu erledigen, der Katalog ist lang: kostenpflichtige Änderungen bei Gewerbe- und Finanzamt; Ausweise und Visitenkarten ändern; Briefbögen neu drucken; Kfz-, Katalog- und Außenwerbung ändern; Werbe- und Streuartikel neu gestalten; Stempel, Telefonbuch- und Interneteinträge ändern; teilweise Prüfplaketten neu bestellen; Dienstausweise erneuern; Verträge mit Banken, Versicherungen und sonstigen Dienstleistern ändern; Änderungsmitteilungen an Lieferanten und Geschäftspartner verschicken.

7 000 Euro Kosten je Betrieb

„Nicht nur, dass der Aufwand den Gewerbetreibenden und ihren Mitarbeitern viel Zeit und Mühe abverlangt, es ist auch immens teuer“, sagt Kalkreiber. Stellvertretend für die straßenansässigen Unternehmer hat der Verband die je nach Firma unterschiedlich hohen Einzelkosten addiert. Heraus kam für die 15 Gewerbebetriebe eine Summe von 104 000 Euro – knapp 7 000 Euro je Betrieb. Ein Gewerbe- oder Einkommensteuererlass in dieser Höhe dürfte weder von Pirnas Oberbürgermeister noch vom Finanzamt Pirna zur Diskussion stehen, mutmaßt der Verband. Auch Clara selbst könnte nicht mehr helfen. Die Zehnmarkscheine der DDR, auf denen sie zu sehen war, sind längst ausgemustert.

Wohin eine solche Namensänderung generell führen kann, zeigt ein Beispiel aus Bautzen. Der Elternrat der Kindertagesstätte „Clara Zetkin“ unternahm mehrere Anläufe, den unliebsamen Namen loszuwerden – weil Kleinkinder sich nicht mit der Person identifizieren könnten und man auch keinerlei politischen Einfluss in der Kita haben wolle. In Bautzen entfachte das eine heftige Debatte, doch letztlich stimmte der Stadtrat 2011 gegen Clara. Die Kindertagesstätte trägt nun den Namen eines lästigen Unkrauts – Löwenzahn.