Merken

Teure Parksünden

Welche Autos Peter Geißler und sein Team abschleppen, das ist nicht ihre Entscheidung: „Wir fahren nicht an den Bärwalder See, weil die Sonne scheint.“

Teilen
Folgen
© Jens Trenkler

Von Carla Mattern

Wer bitte schön nimmt locker mal 500 Euro mit zum Strand, wenn er nur baden will? Im ersten Schock und der ersten Rage fallen solche Sätze immer mal am Bärwalder See. Dieser Spruch stammt vom Wochenende. Eine Familie mit kleinem Kind war am Sonntag zum Baden an den See gefahren. Als sie den Strandausflug beendete, war allerdings das Auto weg. Nicht gestohlen, sondern abgeschleppt. Nach all dem ersten Stress, bis klar war, warum das Auto weg ist und wo es zum Abholen bereitsteht, folgt dann der nächste Schub an Ärger. Denn ein abgeschlepptes Auto abzuholen, das kostet auch nicht wenig Geld. 270 Euro in bar wurden bei der kleinen Familie am Sonntag fällig, um das Auto beim Abschleppunternehmen auszulösen. Außerdem kostete natürlich auch das Taxi nach Weißwasser Geld.

Wenn Peter Geißler vom Abschleppdienst Geißler erst einmal im Auftrag von Polizei oder Ordnungsamt ein Auto am Haken hat, dann wird es teuer für den Besitzer des Autos. Am Sonntag waren er und seine Mitarbeiter zehnmal zum Abschleppen am Bärwalder See.
Wenn Peter Geißler vom Abschleppdienst Geißler erst einmal im Auftrag von Polizei oder Ordnungsamt ein Auto am Haken hat, dann wird es teuer für den Besitzer des Autos. Am Sonntag waren er und seine Mitarbeiter zehnmal zum Abschleppen am Bärwalder See. © André Schulze

Das sei besucherunfreundlich gegenüber Badegästen, stellt die Familie mit dem Kleinkind fest. Solche Vorwürfe kennt Roman Krautz. „Es wird immer geschimpft“, sagt der Seebeauftragte der Gemeinde Boxberg. An allen Badestränden, seit dieser Saison auch am neuen Klittener Strand, gibt es Parkplätze mit Parkscheinautomaten. Doch selbst wenn auf diesen Parkplätzen noch freie Stellflächen sind, stehen Autos an Straßenrändern, auf Radwegen, teilweise auf Waldwegen.

Das spart den Autofahrern erst einmal die Parkgebühr. Doch wenn das Auto Rettungswege blockiert, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Polizisten auf Streife im Einsatz am Bärwalder See oder die Politessen der Gemeinde Boxberg sind von Amts wegen befugt, Peter Geißler zu rufen. Er ist Inhaber der Bergungsfirma Geißler in Weißwasser. Autos abzuschleppen, ist zwar nur ein Teil des Angebotes der Firma. Auch Pannendienst und das Bergen von Unfallautos gehören dazu. In diesem Sommer jedoch haben Peter Geißler und seine vier fest angestellten und die vier in Teilzeit beschäftigten Mitarbeiter viel Zeit am Bärwalder See verbracht. Oder besser gesagt: viel Zeit mit der Fahrt an den See, dem Aufladen von Falschparkern und der Huckepack-Fahrt zurück auf das Firmengelände in Weißwasser.

Welche Autos Peter Geißler und sein Team abschleppen, das ist nicht ihre Entscheidung. „Wir fahren nicht an den Bärwalder See, weil die Sonne scheint“, sagt der Weißwasseraner Unternehmer. Die Gemeinde Boxberg sei auf ihn zugekommen, weil es immer wieder große Probleme mit zugeparkten Rettungswegen gibt. Der Bergungsdienst Geißler ist auch für die Städte Weißwasser und Bad Muskau und bei Großveranstaltungen für Spremberg unterwegs.

Für Boxberg hat der Bergungsdienst so viel zu tun, dass sogar schon vorgeschlagen wurde, sich auf dem Gemeindegebiet, möglicherweise auf dem Kraftwerksgelände, einen eigenen Abstellplatz einzurichten. Die Idee sei gut, sagt Peter Geißler. Weniger Kilometer zwischen dem Ort, an dem die falsch geparkten Autos aufgeladen, und dem Ort, an dem sie abgeladen werden, das spart Fahrkilometer und damit Zeit. Und im Endeffekt auch Geld. Aber solch ein umzäunter Platz müsste angemietet werden. Und es müsste ein Mitarbeiter eigentlich tags wie nachts auf dem Abstellplatz Dienst verrichten. Denn wann immer die Fahrer der abgeschleppten Autos beim Bergungsdienst Geißler auftauchen: Sie wollen sofort ihr Fahrzeug zurück.

Diese Möglichkeit besteht auch, vorausgesetzt, sie haben das nötige Bargeld dabei. Auch eine Bedingung für solch einen Abstellplatz-Standort sei, dass es eine Bank-Filiale mit Geldautomat in der Nähe gibt, so der Unternehmer. Es sei nicht selten, dass Kunden, die sich nicht im Ton vergreifen, auch mal zum Bankautomaten gefahren werden. Wer allerdings schreit und schimpft, der muss sich zu Fuß auf den Weg machen, sagt Peter Geißler. Er staunt immer wieder, wie verhältnismäßig gelassen viele polnische und tschechische Autofahrer beim Abholen ihres Autos auftreten. Andere dagegen brüllen herum.

Er hätte eine Verbrecherfirma, musste sich der Weißwasseraner vom Bergungsdienst erst am Sonntag wieder anhören. Er wollte sich eigentlich ein paar Kilometer auf dem Fahrrad gönnen, sagt Geißler. Doch am Ende standen zehn Autos auf dem Firmenhof, die er und seine Mitarbeiterinnen vom Bärwalder See abgeschleppt hatten. Sie standen auf der Zufahrtsstraße zum Boxberger Ufer. „Dort ist absolutes Halteverbot, weil die Straße der Rettungsweg Nummer eins ist“, so Peter Geißler.

Wer am Ufer Hilfe benötigt oder auf dem Campingplatz, oder im Tourismusinformationszentrum oder sich auf dem See-Rundweg beim Radeln oder Skaten verletzt, der ist darauf angewiesen, dass Notarzt, Rettungssanitäter und Feuerwehr freie Fahrt haben. Ein Fahrzeug war sogar halb im Wald abgestellt.

Das geht gar nicht, auch wenn der Waldweg breit genug ist und scheinbar einen wundervollen Parkplatz hergibt. Und das ist erst recht nicht bei Waldbrandwarnstufe fünf erlaubt, wie am Wochenende. Da ist sogar das Betreten des Waldes verboten, geschweige das Fahren und Abstellen von Autos. Deshalb war auch der Boxberger Revierförster Bernd Mählig in diesem sonnenreichen Sommer viel am Bärwalder See unterwegs. Der Mitarbeiter des Landkreises hat öfter mal seine Arbeitszeit auf die Wochenenden verschoben. „Autofahren und Parken sind im Wald generell nicht gestattet“, sagt der Revierförster. Mehr als 35 Fälle seien es während der Badesaison schon gewesen, bei denen er seinen Block und den Fotoapparat herausgeholt hat. Akribisch muss alles dokumentiert werden, ehe dann das Knöllchen unter die Scheibenwischer gesteckt wird. Bei akuter Waldbrandgefahr lässt auch der Förster abschleppen.