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Teure Buskinder

Bis zu 3 500 Euro kostet die Beförderung eines Schülers pro Jahr. Für Spezialfälle haben sich die Kosten verzehnfacht.

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© Archiv/Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Region Döbeln. Mehr als 14 000 Schüler befördert der Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) aktuell. Die Zahl ist relativ konstant. Allerdings steigen die Kosten. VMS-Geschäftsführer Harald Neuhaus hat am Montagabend im Finanzausschuss des Landkreises einmal beispielhaft vorgerechnet, wie viel Geld das Unternehmen für die Schülerbeförderung aufbringt. „Es handelt sich immer nur um eine Momentaufnahme, weil sich die Bedingungen, aus denen sich die Beträge errechnen, immer wieder verändern“, betonte er. Das seien zum Beispiel die Schulstandorte selbst, die Anfangs- und Endzeiten, die Länge des Fahrtwegs, der körperliche und geistige Zustand des Schülers – und nicht zuletzt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Verkehrsverbund einen Teil der Beförderungskosten übernimmt.

Wie entwickelten sich die Kosten pro Schüler in den vergangenen Jahren?

Hat ein Schulkind, das eine reguläre, öffentliche Bildungseinrichtung besucht, den ÖPNV genutzt, beliefen sich die Kosten im Schuljahr 2011/12 auf 290 Euro, im vergangenen Schuljahr dann bereits auf 449 Euro. Die Kosten im freigestellten Schülerverkehr sind im Vergleichszeitraum von 2 457 Euro pro Schüler auf 3 505 Euro gestiegen.

Welche Arten der Schülerbeförderung gibt es im Verbandsgebiet?

Grundsätzlich sind durch die Schüler die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Außerdem existiert der sogenannte freigestellten Schülerverkehr (FSV), der mittels Taxi, Mietwagen oder Kleinbus realisiert wird. Die Kostenübernahme für Fahrten mit dem privaten Auto sei nur möglich, wenn öffentliche Verkehrsverbindungen fehlen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen der Schüler vorliegen.

Welche Voraussetzungen müssen für die Kostenübernahme erfüllt sein?

Der Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (ZVMS) übernimmt einen Teil der Beförderungskosten, wenn die Grund-, Ober-, Förder-, Berufsschule oder das Gymnasium in den Landkreisen Mittelsachsen, Zwickau oder Erzgebirge steht. Kinder müssen die dem Wohnort nächstgelegene, aufnahmefähige Schule besuchen. Der Schulweg für Kinder bis zur vierten Klasse muss mindestens zwei Kilometer betragen, für Schüler ab der fünften Klasse mindestens drei Kilometer.

Welche Ausnahmeregelungen existieren?

Wird nicht die nächstgelegene Schule besucht, aber sind alle anderen Voraussetzungen erfüllt, erstattet der ZVMS die Beförderungskosten, wenn eine zumutbare Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, innerhalb des Geltungsbereichs des VMS-Tarifs, erfolgen kann. „Ist dies nicht der Fall, übernimmt der ZVMS nur die Kosten, die bei der Beförderung bis zur nächstgelegenen Schule anfallen würden“, so Neuhaus. Allerdings kümmert sich der Verbund nicht um die Organisation des Schülertransports. Er erstattet lediglich die anteiligen Kosten. Eine weitere in den Statuten festgelegte Ausnahmeregelung betrifft den zumutbaren Fußweg: Die Mindestentfernung gilt nicht für Schüler, die einen Behindertenausweis mit den Merkmalen für Blindheit, eine außergewöhnliche Gehbehinderung oder H wie Hilflosigkeit besitzen. Sie gilt ebenfalls nicht für Schüler von Schulen für geistig Behinderte oder mit besonders gefährlichem Schulweg.

Welche Faktoren beeinflussen die Kosten?

„Im Bereich des ÖPNV sind die Beförderung von Schülern zu den nicht nächstgelegenen Schulen, die Schulanfangs- und -endzeiten sowie fehlender Linienverkehr bedeutsame kostenrelevante Sachverhalte“, erläuterte Harald Neuhaus. Auswirkungen auf den freigestellten Schülerverkehr hat die Beförderung von Asylbewerbern zu Schulen, die spezielle DaZ-Klassen haben. DaZ steht für Deutsch als Zweitsprache. Eine weitere Rolle spielen beispielsweise Integrations- und Inklusionsschüler, Schulschließungen, der Rückgang der Auftragnehmer, die den Verkehr mit übernehmen, sowie ganz neu die Stundenplangestaltung aufgrund des Lehrermangels.

Kostet die Beförderung von Flüchtlingskindern mehr?

Ja. DaZ-Klassen besuchen Kinder, die die deutsche Sprache nicht beherrschen. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Ursache sind die zahlreichen Flüchtlinge, die neu in Mittelsachsen angekommen sind. Im Schuljahr 2012/13 gab es in Mittelsachsen gerade einmal sieben DaZ-Schüler. Sie nutzten den FSV. Das hat 18 878 Euro gekostet. Im darauffolgenden Schuljahr gab es in Mittelsachsen schon 73, im gesamten ZVMS-Gebiet 195 DaZ-Kinder. Kostenpunkt: 62 676 Euro beziehungsweise insgesamt rund 154 700 Euro. Im Schuljahr 2014/15 wurden in Mittelsachsen 137 Kinder und Jugendliche zu Schulen mit diesen speziellen DaZ-Klassen gebracht. „Im Dezember des vergangenen Jahres waren es insgesamt 163 Personen“, sagte VMS-Geschäftsführer Harald Neuhaus. Es mussten zusätzliche Fahrten organisiert werden. Die Kosten stiegen von 131 035 auf 185 960 Euro. „Die Gesamtkosten für die Beförderung von DaZ-Schülern im ÖPNV und FSV haben sich im ZVMS zwischen 2012/13 und Dezember 2015 fast verzehnfacht: von rund 77 200 Euro auf 730 720 Euro“, sagte er.

Verursachen Integrationskinder höhere Kosten?

Ja. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb einige Kinder nicht an der nächstgelegenen Schule unterrichtet werden können: Eltern oder die Bildungsagentur fordern die Beschulung an einer Schule in freier Trägerschaft, Mobbing, die Schule ist nicht barrierefrei, an der nächstgelegenen Schule gibt es keine freien Integrationsplätze. „Im Schuljahr 2011/12 gab es in Mittelsachsen neun neue Integrationsschüler. Pro Kopf hat die Beförderung im FSV 7 800 Euro gekostet. Im vergangenen Schuljahr waren es 20 Schüler, die jeweiligen Kosten lagen bei 10 335 Euro“, so Harald Neuhaus. Er betonte, dass es sich bei diesen Zahlen lediglich um eine Momentaufnahme von jeweils neuen Fällen handelt. Aufgrund der sich ständig wechselnden Voraussetzungen existiere keine über mehrere Jahre geführte Statistik.