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Testlauf für Sprengungen

Das Kasernengelände in der Massenei soll wieder eine Zukunft bekommen. Aber was bedeutet das fürs benachbarte Bad?

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Seeligstadt/Großröhrsdorf. Ein kurzes Warnsignal kündigt die Sprengung an. Kurz darauf ein doppelter Ton. Jetzt wird im Bunker das erste Mal gesprengt. Fast ein Dutzend Leute, die etwa 250 Meter entfernt im Masseneiwald stehen, spitzen die Ohren. Außer dem leisen Brummen eines Flugzeuges hören sie nichts. Das dreimalige Dröhnen schließlich verkündet, dass die Sprengung vorbei ist. Kein Laut drang durch die dicken Stahltore nach außen. Zumindest keiner, den das menschliche Ohr wahrnehmen kann. Andreas Wichor ließ soeben ein Kilo Sprengstoff explodieren. Noch zwei weitere Probesprengungen wird es an diesem Tag geben – mit zwei und fünf Kilogramm Sprengstoff. Was der Mensch nicht hören kann, nimmt hochsensible Technik wahr. Die steht am Donnerstag knapp 500 Meter vom Bunker entfernt im Masseneibad. Mitarbeiter des Kreisumweltamtes, unterstützt vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, messen dort auf Antrag der Stadt Großröhrsdorf den Schallpegel und mögliche Erderschütterungen.

In dieser Hülse stecken fünf Kilo Sprengstoff. Sie wurden für eine der Probesprengungen gebraucht.
In dieser Hülse stecken fünf Kilo Sprengstoff. Sie wurden für eine der Probesprengungen gebraucht. © Steffen Unger
Andreas Rink vom Landesamt für Geologie zeigt eins der Messgeräte in einem Schacht.
Andreas Rink vom Landesamt für Geologie zeigt eins der Messgeräte in einem Schacht. © Steffen Unger
Acht dieser Messgeräte im Masseneibad erfassten die Bodenschwingungen während der Sprengungen.
Acht dieser Messgeräte im Masseneibad erfassten die Bodenschwingungen während der Sprengungen. © Steffen Unger

Chancen für neue Technologien

Gemeinsam mit einem Geschäftspartner aus Burkau plant Andreas Wichor regelmäßige Sprengungen im Wald zwischen Seeligstadt und Großröhrsdorf. Dafür möchte er das einstige Kasernengelände, in dem in der DDR Fliegerabwehrraketen stationiert und später Asylbewerber untergebracht waren, kaufen. Viele würden von seiner Geschäftsidee profitieren, sagt der Mann aus Kreba-Neudorf und verweist zum Beispiel auf Bombenfunde, wie es sie auch über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges bei Tiefbauarbeiten immer wieder gibt. Die Leute, die diese Munition bergen, könnten einen Teil ihrer praktischen Ausbildung hier absolvieren. Eine Dresdner Firma, die auf dem Gebiet der Munitionsverbrennung tätig, ist, zeigt bereits Interesse. Doch Sprengungen bedeuten nicht nur Zerstörungen. Durch gezielte Sprengungen etwa lassen sich Stoffe miteinander verbinden, wofür es kein anderes technisches Verfahren gibt. Interessant zum Beispiel für die Metallindustrie, aber auch fürs Herstellen von Schmuck. „In Zeiten, da große Konzerne wie Siemens oder Bombardier in Ostsachsen schließen bzw. Personal abbauen, sollte man neuen Technologien in der Region eine Chance geben“, sagt der Sprengmeister. Die Ruinen auf dem zehn Hektar großen Areal würde er abreißen, selbst nur etwa zwei Hektar rund um den Bunker behalten und das größte Stück für die Wiederaufforstung freigeben. Für die Sprengungen soll eine neue Firma gegründet werden mit Sitz in Seeligstadt bzw. Großharthau. „Die Gewerbesteuer würde damit in der Gemeinde bleiben“, sagt der Unternehmer.

In Großharthau läuft Andreas Wichor mit seinen Plänen offene Türen ein, in Großröhrsdorf sieht man die Sache kritisch. Vor allem wegen des nahen Freibades, das nach der Wende für 20 Millionen D-Mark saniert worden ist. „Das Masseneibad ist für Großröhrsdorf von touristischer Bedeutung und ein Werbeträger. Eine Vielzahl der Besucher kommt aus Dresden“, sagt Bürgermeisterin Kerstin Ternes. Neben einem möglichen Imageschaden durch die unmittelbare Nachbarschaft der Sprengungen im Landschaftsschutzgebiet befürchtet sie auch Schäden an den Anlagen, beispielsweise den Edelstahlbecken und dem Leitungssystem. Schon kleinste Haarrisse könnten verheerend sein, sagt sie. Der Grund, auf dem das Bad 1936 aufgebaut wurde, sei sensibel, weil sumpfig. Bereits im vergangenen Jahr gab es eine Probesprengung. Um sicher zu gehen, dass das Bad keinen Schaden nehmen wird, drängte Großröhrsdorf auf einen zweiten Testlauf, bei dem nicht nur der Geräuschpegel wie im vergangenen Jahr, sondern auch die Bodenerschütterungen gemessen werden. Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für die Stellungnahme des Umweltamtes, ohne die das Landratsamt die Baugenehmigung nicht erteilen kann.

Hochsensible Geräte im Masseneibad

Wo sonst die Badbesucher zwischen den Becken umherlaufen, liegen mehrere Hundert Meter Kabel. Sie führen zu den Messgeräten, die die beiden Mitarbeiter des Landesamtes aufgebaut haben. Gemessen wird an neuralgischen Punkten, etwa am Beckenrand und am Sprungturm, aber auch in einem Schacht, erläutert Andreas Rink. Selbst kleinste Erschütterungen werden gespeichert. Später, im Büro, wird Andreas Rink die Daten auswerten. Die Ergebnisse des Landesamtes werden zu Beginn des neuen Jahres erwartet. Auskünfte über die schalltechnischen Messungen durch das Kreisumweltamt sollen schon in etwa einer Woche vorliegen.

Bei der Probesprengung im vergangenen Jahr wurde der Schall am Beckenrand neben dem Sprungturm gemessen, 487 Meter vom Bunker entfernt. Der Maximalwert mit einem Kilo Sprengstoff lag bei 64,2 Dezibel, teilte das Landratsamt Bautzen auf SZ-Anfrage mit. Im knapp anderthalb Kilometer entfernten Großröhrsdorf wäre demnach rechnerisch ein Immissionspegel von 54,6, im etwas weiter entfernten Seeligstadt von 53,7 Dezibel zu erwarten. Das liegt laut Kreisbehörde deutlich unter den zulässigen Werten selbst für Kurgebiete und Krankenhäuser, wo kurzzeitige Geräuschspitzen bis zu 75 Dezibel erlaubt sind. Die 2016 gemessenen Werte wären wahrscheinlich noch geringer ausgefallen, wäre während der Sprengung nicht die Bunkertür aufgegangen.

In dem 360 Quadratmeter großen Bunker lagerte die Nationale Volksarmee der DDR Fliegerabwehrraketen. Rund 40 Zentimeter sind die Stahltore stark. Vorausgesetzt, die Sprengungen werden genehmigt, soll für den Lärmschutz noch eine zweite Wand eingezogen werden. Bis zu welcher Stärke Sprengungen möglich sind, muss die Landesdirektion entscheiden. Parallel zum Bauantrag, über den das Landratsamt befindet, müssen die potenziellen Investoren ein Statikgutachten für den Bunker bei der Landesbehörde einreichen.