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Terrot plant eine Revolution

Der Textilmaschinenhersteller aus Chemnitz will mit seiner neuen Strickmaschine nun auch selbst Stoffe herstellen.

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© Wolfgang Schmidt

Von Nora Miethke

Keine andere Branche hat so eine globale Tradition wie die Textilindustrie. Die ersten Fabriken im Industriezeitalter waren Textilfabriken in Manchester. Sie lagerten als Erste Produktionen in Kolonien aus, weil dort die Arbeitskräfte billiger waren. Auch die deutsche Bekleidungsfertigung wanderte im vergangenen Jahrhundert fast vollständig in Niedriglohnländer ab. Nur rund fünf Prozent der in Deutschland verkauften Wäsche und Bekleidung stammt aus heimischen Produktionsstätten.

Das will Andreas von Bismarck, Geschäftsführer des Strickmaschinenherstellers Terrot GmbH, ändern. „Mit einer neuen Technologie wollen wir die Textilindustrie zurück nach Deutschland holen“, sagt von Bismarck. Die Branche in Sachsen brauche eine „echte Innovation“. Daran wurde in der Forschungsabteilung von Terrot in Chemnitz gearbeitet. Die Forscher entwickelten eine völlig neuartige Textilmaschine, die die Fadenherstellung und die Rundstricktechnologie kombiniert. Dieses sogenannte Corizon-Verfahren werde die Herstellung von Flächenstoffen revolutionieren, ist man sich bei Terrot sicher. Garn besteht aus vielen Einzelfäden, die wiederum aus einer Masse von Fasern gebildet werden. „Herkömmlich gesponnenes Garn ist sehr verdreht, haarig und schwierig zu verarbeiten, weil es fusselt. Unser Corizon-Garn ist sehr eben, und die Fäden verlaufen sehr parallel“, schwärmt der Unternehmer. Daraus gewonnene Stoffe sind extrem weich, leicht und blickdicht.

Zwei neue Werke geplant

Eine weitere Besonderheit: Der Stricker kann bei laufender Produktion die Fadenliefermenge und die Feinheit des Fadens verändern. Das bedeutet, er kann am fertigen Stoff experimentieren und kleinste Losgrößen für exklusive Designs produzieren. Und die Technologie ist laut von Bismarck „extrem nachhaltig“, denn mit ihr lasse sich mehr Volumen bei weniger Materialdichte erreichen. 20 bis 30 Prozent Material könnte eingespart werden. 2015 feierte die Neuentwicklung auf der Internationalen Textilmaschinenmesse in Mailand ihre Weltpremiere.

Die Resonanz ließ die kühne Idee reifen, das wirtschaftliche Potenzial dieser Innovation selbst auszuschöpfen. Der Strickmaschinenhersteller will in die Stoffproduktion einsteigen und sich damit ein zweites Standbein aufbauen.

Gespräche mit bekannten Marken über mögliche Produkte etwa für Sportbekleidung oder Yoga-Outfits laufen. Terrot plant, in den kommenden zwei bis drei Jahren zwei Fertigungsstätten mit jeweils 250 Mitarbeitern zu errichten. Es werden Standorte in Sachsen, Brandenburg, aber auch im Ausland geprüft. „Natürlich hat Sachsen einen Heimvorteil“, sagt von Bismarck. Doch die Herausforderung sei, ein innovatives Energiekonzept zu entwickeln, damit in Deutschland produziert werden kann. Investiert werden sollen pro Fabrik zweistellige Millionenbeträge. Terrot beschäftigt in Chemnitz und bei der Tochterfirma in Italien insgesamt 310 Mitarbeiter und plant in diesem Jahr einen konsolidierten Umsatz von rund 65 Millionen Euro.

Die Entwicklung ist rasant, angesichts dessen, dass die Firma vor zehn Jahren vor dem Aus stand. 1993 hatte das schwäbische Unternehmen Terrot Strickmaschinen – 1862 in Bad Canstatt gegründet – Teile des Ex-Textima-Kombinats von der Treuhand übernommen. Die Tochter Chemnitzer Strickmaschinen GmbH wurde geboren. Doch schlechte Logistik und zu hohe Kosten trieben die Traditionsfirma 2001 in die Insolvenz. Vier Jahre wurde in Chemnitz unter Insolvenzbedingungen produziert. Nach dem sich kein Käufer fand, wurde 2005 das Aus beschlossen. Die damals 240 Mitarbeiter hatten schon die Kündigung erhalten. Da kam überraschend die Wende. Die Investorengruppe „Schüring & Andreas Partnerschaft“, die Unternehmen mit dem Ziel des Wiederaufbaus erwirbt, stieg ein und gründete die Firma Terrot GmbH neu. Hauptgesellschafter Peter Schüring und sein Sohn Andreas von Bismarck führen seitdem gemeinsam mit dem technischen Geschäftsführer Thomas Mutschler das Unternehmen – mit Erfolg. Terrot gehört wieder zu den Weltmarktführern der Branche für Großrundstrickmaschinen und ist in 100 Ländern vertreten. Die Exportquote liegt bei 98 Prozent. Hauptabsatzmärkte sind China, Indien und die Türkei.

In den Iran wurden die Lieferbeziehungen auch während des Embargos aufrechterhalten. Die Treue zahlt sich jetzt aus. Nach der Lockerung der Sanktionen müssen sächsische Unternehmer die Exportchancen in die islamische Republik erst sondieren. Da hat Andreas von Bismarck auf der Markterkundungsreise von Wirtschaftsminister Martin Dulig Ende Mai schon einen Kaufvertrag über fünf Großrundstrickmaschinen unterschrieben.