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Teplice, Schellerhau und zurück

Die Wochen der tschechischen Küche sind Sprungbrett für tschechische Fachkräfte. Das funktioniert nun auch umgekehrt.

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© Egbert Kamprath

Von Steffen Neumann

Altenberg. An sein erstes Praktikum in Deutschland erinnert sich Tomas Benes noch lebhaft. „Die deutsche Küche war für mich ein Schock“, sagt er. „Kartoffelsuppe mit Wiener, Schnitzel mit Knödel oder Bier mit Limonade – das war für mich stark gewöhnungsbedürftig. Oder“, fällt ihm noch ein: „Kartoffeln mit Quark – diese Kombination ging gar nicht.“ Doch er lernte nicht nur ungewöhnliche Küche kennen. „Die deutsche Arbeitsdisziplin und vor allem natürlich die Sprache, die ich bis dahin nicht konnte. Das war für mich eine wichtige Erfahrung“, schätzt der 27-jährige Tscheche mit dem Abstand von zehn Jahren ein.

Das erst 2015 gegründete Braurestaurant Monopol ist inzwischen eine der besten Adressen in Teplice. Gäste können täglich aus fünf frisch gebrauten Bieren wählen. Neben hellem Lager, Kirschbier, halbdunkel und Ale gibt es je nach Saison ein Spezialbier.
Das erst 2015 gegründete Braurestaurant Monopol ist inzwischen eine der besten Adressen in Teplice. Gäste können täglich aus fünf frisch gebrauten Bieren wählen. Neben hellem Lager, Kirschbier, halbdunkel und Ale gibt es je nach Saison ein Spezialbier. © Egbert Kamprath

Wer weiß, wie es mit Benes weitergegangen wäre, hätte er sich an seiner Ausbildungsstätte, der Hotelfachschule in Teplice, nicht für ein Praktikum in Deutschland gemeldet. Diese Kooperation zwischen der Schule und Hotels in Sachsen ist im deutsch-tschechischen Grenzgebiet einmalig. Und sie hält bereits 13 Jahre. „Einen ersten Versuch starteten wir 2002. Der scheiterte noch daran, dass wir nicht in der EU waren“, erinnert sich Jitka Vratilova, Deutschlehrerin an der Schule und treibende Kraft für die Kooperation.

Dafür legten sie und die sächsischen Hotels nach dem EU-Beitritt Tschechiens 2004 gleich los. 2008 kamen die Wochen der tschechischen Küche im Erzgebirge dazu. Deren zehnter Jahrgang wurde diesmal nicht in einem der sächsischen Hotels, sondern im Braurestaurant Monopol in Teplice gestartet. Mit fünf Sorten Bier, eigener Bäckerei und angeschlossenem Hotel hat sich die 2015 in einem alten Varieté gegründete Brauerei in der Kurstadt schnell einen Namen gemacht. Und als Betriebsmanager eröffnete die kulinarischen Wochen kein anderer als Tomas Benes.

„An mir könnt ihr sehen, wie weit ihr es bringen könnt“, wandte er sich an die 20 Schüler, die in den kommenden drei Wochen erste Erfahrungen in acht erzgebirgischen Hotels sammeln werden. Gut möglich, dass einige von ihnen einen ähnlichen Weg wie Benes gehen. Nach weiteren Praktika hatte dieser bald seine erste feste Anstellung im Hotel Stephanshöhe, heute Waldhotel, in Schellerhau, die für ihn später zum Sprungbrett ins Tiroler Kitzbühel wurde. Benes war damals noch die Ausnahme. Heute bilden Beschäftigte aus Tschechien fast schon das Rückgrat in der sächsischen Hotel- und Gastrobranche. „Es gibt Häuser, die könnten ohne Tschechen zumachen“, sagt Jochen Löbel, Chef des Lugsteinhofes in Zinnwald und Initiator des Austausches auf deutscher Seite.

Die Abwanderung nach Sachsen bleibt in Tschechien aber nicht ohne Folgen, zumal es in der Regel um Spitzenkräfte geht. „Die fünf besten jedes Jahrgangs gehen nach Deutschland“, bestätigt Jiri Nekuda, Direktor der Hotelfachschule. „Es ist schwer geworden, gute Kräfte zu finden“, sagt auch Gabriela Schönbauerova, Eigentümerin des Monopol. Bei einem Mindestlohn von 8,84 Euro die Stunde kann die tschechische Konkurrenz nicht mithalten. „Und es bleibt ja nicht beim Mindestlohn. Auch tschechische Mitarbeiter wollen irgendwann eine Gehaltserhöhung“, lehnt Löbel das Klischee von den billigen Tschechen ab.

Aus Kitzbühel zurückgekehrt

Doch sowohl die Hotelfachschule als auch der Bezirk Ustí als Schulbehörde halten an der Kooperation fest. „Die Zusammenarbeit mit den sächsischen Nachbarn hat für uns oberste Priorität“, betont Dagmar Waicova, Abteilungsleiterin für Schulwesen beim Bezirksamt in Usti nad Labem, auch wenn sie die Abwanderung schmerzt. „Doch das ist nicht neu für uns. Früher gingen die Menschen nach Prag, heute nach Sachsen. Vielleicht kommen sie ja mit Erfahrungen und guten Deutschkenntnissen ausgestattet zurück“, hofft sie.

Im Fall von Tomas Benes hat sich das bewahrheitet. Vor einem Jahr konnte ihn die Monopol-Chefin Schönbauerova aus seinem geliebten Kitzbühel zurücklotsen. „Das Angebot konnte ich nicht ausschlagen“, sagt er. Denn er leitet nicht nur Restaurant und Hotel, sondern ist auch speziell für die deutsche Kundschaft verantwortlich. „Ohne meine Sprachkenntnisse wäre das undenkbar“, ist er zugleich dankbar für sein erstes Praktikum bei den Wochen der tschechischen Küche.

Sein gutes Deutsch ist auch der Grund, warum in diesem Jahr erstmals zwei Praktikanten aus Deutschland in Tschechien gastieren. Paul Kirsch und Damian Przyborek absolvieren gerade ihre Lehre im Zinnwalder Lugsteinhof und wechseln nun für drei Wochen ins Monopol.

„Ich möchte gern die Arbeitsphilosophie kennenlernen und das Umfeld“, sagt der angehende Hotelfachmann Kirsch. Und Koch-Lehrling Przyborek, eigentlich Pole aus Slupsk an der Ostsee, freut sich auf die tschechische Küche. Beide hoffen, auch ein bisschen Tschechisch zu lernen. „Jidelni listek (Speisekarte) kann ich schon“, sagt Kirsch.

Deutsche Küche werden sie allerdings nicht ins Monopol bringen. „Nein, die sollen ruhig die tschechische Küche kennenlernen“, wünscht Tomas Benes ihnen einen ähnlichen Kulturschock, wie bei ihm vor zehn Jahren.