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Tempozeichnen in China

Der Radebeuler Grafiker Markus Retzlaff hat eine ungewöhnliche Reise erlebt – die Ergebnisse sind im Atelier Oberlicht zu sehen.

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Von Peter Redlich

Radebeul. Was macht man, wenn man Folgendes angeboten bekommt: Fünf Tage China in der Partnerstadt von Riesa mit Unterkunft und Essen, dabei einen Termin nach dem anderen und möglichst von jedem Ereignis eine Zeichnung liefern – als Gegenleistung für die Einladung. „Man sagt zu. Auch wenn es verrückt ist. Aber privat könnte ich mir so eine Reise nur schwer leisten“, sagt Markus Retzlaff.

Das Fischerdorf mitten in der Großstadt – eines der Motive, welches auf der China-Reise von Markus Retzlaff entstanden ist.
Das Fischerdorf mitten in der Großstadt – eines der Motive, welches auf der China-Reise von Markus Retzlaff entstanden ist. © Repro/privat

Der in Radebeul und weit darüber hinaus bekannte Grafiker ist es gewohnt, in Ruhe an sein Zeichenobjekt zu gehen. Es zu umkreisen, zu beobachten. Ging in Suzhou, Riesas Partnerstadt westlich von Shanghai, eigentlich gar nicht, sagt der Künstler. „Die Chinesen wollten uns alles aus ihrer Sicht Wichtige zeigen. Jeder Termin war exakt getaktet – exakter noch, als wir Deutschen es organisieren.“

Im Atelier liegen jetzt die Ergebnisse. Blätter von beinahe Angst einflößenden Satellitenstädten mit Hochhäusern, die wie gedüngte Unkräuter aus dem Boden geschossen sind. 1,3 Millionen Einwohner zählt Sozhou. Dass hier jeder seine Wohnung am Abend nach der Arbeit wiederfindet, ist Markus Retzlaff noch heute ein großes Rätsel.

„Ruckzuck den Hocker aufstellen, Block raus, schauen und zeichnen. Es musste verdammt schnell gehen“, erinnert sich der Radebeuler. Zwei Momente mit etwas Ruhe gab es aber dann doch. Der eine Moment war im Garten des Meisters der Netze, einem ehemaligen Fischerdorf, welches die Stadtoberen von Sozhou als eine Art Parklandschaft bewahren.

Retzlaff: „Viele junge Chinesen besichtigen den Ort und fotografieren, aber wohnen möchte auf diese einfach Art keiner mehr. Fischer leben aber noch in dem Minidorf mitten in der Großstadt.“

Um schnell arbeiten zu können – unmittelbar nach dem Besuch war eine Ausstellung in Gostewitz bei Riesa vereinbart – hatte der Maler sogar Kupferplatten mitgenommen. Abends im Hotel ritzte er die gezeichneten Bilder ins weiche Metall. Im Atelier sind daraus Drucke entstanden – etwa grün eingefärbte Ansichten des alten Fischerdorfes.

Um Menschen zu zeichnen, Retzlaff ist bekannt für beeindruckende Porträts, blieb so gut wie keine Zeit. Ein Bild mit Gesichtern von Kindern gibt es dennoch. Eine Schulklasse im Zeichenunterricht. „Alle haben einen Malerkittel an. An den Wänden hängt moderne klassische Kunst, darunter ein Van Gogh-Porträt. Sehr wissbegierig und neugierig auf den deutschen Maler waren die Schüler“, erinnert sich Retzlaff.

Neun Bilder sind inzwischen aus dem China-Besuch entstanden. Sie zeigen die gigantische Entwicklung der rasant aufstrebenden Stadt, aber auch erste Zeichen der Besinnung der Chinesen auf ihre Geschichte. Retzlaff: „Wenn man dort ist, stellt sich ein Gefühl ein, als ob Deutschland ein Dorf wäre.“ Wer diese gezeichneten und inzwischen auch gedruckten China-Ansichten sehen will, muss ins Atelier Oberlicht in Altkötzschenbroda 23 gehen. Der Maler erzählt auch gern seine Geschichten dazu.