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Teicha und der Wolf

Ein einzelnes Tier kommt immer wieder in den Rietschener Ortsteil. Und er hinterlässt Spuren, auch in den Köpfen.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch

Teicha. Der Wolf geht um in Teicha. Henrik Brunsch ist daran gewöhnt, diese Raubtiere vom Auto aus zu sehen, wenn er in der Gegend unterwegs ist. „In den vergangenen zwei Wochen bin ich fünfmal auf Wölfe getroffen“, sagt er. Aber nicht nur er, auch andere Teichaer sind kürzlich einem Wolf begegnet. Und sie haben das Gefühl, dass er sich immer weiter in den Ort vorwagt.

Henriks Bruder Maik hat sogar ein Foto von dem Tier geschossen. „Das ist kurz nach dem Ortsausgangsschild entstanden“, sagt er. Nachbarn erzählen, dass sie 40 Zentimeter tiefe Gruben vor dem Zaun ihrer Weide finden. Oder Spuren von Wolfstatzen im Kaninchenstall. Schlimmeres ist bisher glücklicherweise nicht zu berichten. Aber viele sind besorgt, dass es dazu kommen könnte. Henrik und Maik Brunsch wenden sich deshalb an Uwe Gutte. Er arbeitet in der Unteren Jagdbehörde im Landkreis Görlitz.

Damit haben sich die Brüder richtig verhalten. „Sichtungen von Wölfen werden vom Kontaktbüro in Rietschen, dem Kreisforstamt als auch der Unteren Jagdbehörde entgegengenommen“, erklärt Landkreissprecherin Gerlind Walter. Die verschiedenen Stellen teilen die Informationen dann miteinander, um ein möglichst genaues Bild vom Verhalten der Tiere zu erhalten.

Auch Helene Möslinger vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz bestätigt die Sichtungen. Sie ermutigt die Einwohner, sich bei ihr zu melden. „Es ist sehr hilfreich, wenn sie bekannt geben, sobald sie einen Wolf sehen.“ Am besten sei es nun einmal, wenn die Erlebnisse aus erster Hand kommen. Die Mitarbeiterinnen aus dem Kontaktbüro sind schon vor Ort gewesen, haben mit den Betroffenen gesprochen und tun dies auch weiterhin.

Maik Brunsch betrifft der Wolf auch als Jäger. Der Jagdpächter des Reviers erklärt, dass die Rückkehr des Wolfes auch auf das Wild in den Wäldern eine Auswirkung hat. Er möchte in der Zeitung nicht namentlich genannt werden. „Die Tiere rotten sich dann stärker zu Herden zusammen“, sagt er. Denn in der Gruppe haben sie eine bessere Chance, einen Angriff zu überleben. Für die Jäger ist diese neue Situation schwierig. Gerade dass der einsame Wolf in Teicha jetzt näher an den Menschen rückt, macht ihm Sorgen. „Niemand kann die Verantwortung für ein wildes Tier übernehmen“, sagt er.

Generell sind Wölfe sehr scheue Tiere. Menschen kommen sie freiwillig nicht nahe. Eine Ausnahme gibt es: Wenn die Tiere wissen, dass sie bei den Menschen leicht an Nahrung kommen. Helene Möslinger vermutet darum auch, dass der Wolf in Teicha auf Nahrungssuche ist. „Wenn die Wölfe positive Erfahrungen mit den Siedlungen der Menschen verbinden, kommen sie immer Wieder“, erklärt Helene Möslinger. Deshalb ist es wichtig, dass Wölfe keine Futterquellen wie Speisereste oder Ähnliches in den Dörfern finden. Auf keinen Fall sollten Menschen sie füttern.

Genau das wird bei dem Wolf mit dem Spitznamen Kurti vermutet, der in Niedersachsen lebte. Er hatte überhaupt keine Scheu vor dem Menschen. Er folgte Spaziergängern im Wald und soll einen Hund gebissen haben. Deshalb wurde im April dieses Jahres entschieden, ihn zu töten. In solchen Einzelfällen ist es eben auch möglich, ein einzelnes der streng geschützten Tiere zu töten. Dass der Wolf unter starkem Schutz steht, behindert auch die Wolfsexperten dabei, ihn genau zu erforschen. Bestimmte Fallen dürfen Forscher nicht einsetzen, um die Tiere mit Sendern zu versehen und zu beobachten.

Beim Kontakt sieht Helene Möslinger den Unterschied zum Teichaer Wolf. Um aber Genaueres sagen zu können, muss die Biologin Daten sammeln. Sie will herausfinden, ob es Regelmäßigkeiten im Verhalten des Wolfes in Teicha gibt. Das bedeutet für den Moment in erster Linie, mit den Menschen zu sprechen. „Wir bereiten auch eine Veranstaltung mit Informationen vor“, sagt sie, „wir wollen mit der Öffentlichkeit in Kontakt bleiben.“

In Sachsen gibt es mittlerweile 19 bestätigte Territorien, in denen einzelne Wölfe oder Rudel leben. Gemeinsam mit Brandenburg ist dies das am dichtesten besiedelte Wolfsgebiet in Deutschland. In der Lausitz haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder junge Wölfe ein Revier zwischen den bestehenden gesucht. Deshalb kann plötzlich ein einzelner Wolf auftauchen. Junge Wölfe sollen dabei eher neugieriger sein. Jetzt gilt es zu klären, ob dies auf den Teichaer Wolf zutrifft.