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Techno baut Brücken

Das Duo Tanz-Rausch denkt groß und will die Stars der Szene endlich nach Dresden holen. Der Anfang ist gemacht.

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© kairospress

Von Philipp Demankowski

Es ist eine Geschichte, die noch nicht umfassend erzählt wurde. Dresden war mal eine Techno-Hochburg. Nach der Wende nisteten sich vor einer flächendeckend unsanierten Stadtkulisse die Liebhaber elektronischer Musik in leerstehende Industriehallen oder schmutzige kleine Kellerabteile ein, um dem Bass freien Lauf zu lassen. Wenn man schon ungewiss in die Zukunft schaute, wollte man doch wenigstens dabei tanzen. Die Szene entwickelte sich so rasant, dass bald das Schlagwort vom „little Detroit from the East“ fiel. Das kleine Detroit aus Ostdeutschland also, benannt nach der Geburtsstadt des Techno.

Dessen Gründerväter gaben sich dann auch fleißig die Ehre und spielten DJ-Sets in Klubs mit Namen wie Flugzeugwerft, Base, Object, Zepter, Zerma oder Kilowatt. Die jeweiligen Betreiber ließen sich für ihre Partys inspirieren von Ausflügen zur damals noch überschaubaren Loveparade oder durch die Radiosendungen von Monika Dietl und von ihrer Nachfolgerin, einer gewissen Marusha.

Kein Zweifel, die junge Hauptstadt hatte mit ihrem pulsierenden Nachtleben Strahlkraft bis nach Dresden oder auch Leipzig. Kein Wunder, dass dieses Kapitel der Berliner Musikhistorie inzwischen in Form von Filmen und Sachbüchern gut dokumentiert ist. Zwar gibt es unter der Oberfläche inzwischen auch in Dresden ähnliche Bestrebungen, doch noch ist die Geschichte, wie Techno in die Landeshauptstadt kam, ein unbeschriebenes Blatt.

Es sind auch nicht mehr allzu viele der damaligen Lichtgestalten, die heute noch aktiv im Veranstaltungsalltag mitmischen. Viele sind im Schoß der Familie und im Stress des Arbeitslebens angekommen. Da bleibt dann mitunter nicht mehr genug Zeit zum Ausgehen. Immerhin sind inzwischen mehr als zwanzig Jahre vergangen. Eine ganz neue Generation hat die alten Hasen abgelöst und die Klubs tragen längst andere Namen. Etwa der Sektor Evolution, seit 2007 eine Bastion für Dresdner Techno-Fans. Hier im Industriegelände veranstalten auch Mirko Schubert und Sebastian Schneider unter ihrem Crewnamen Tanz-Rausch Partys. Für ihre Klubnacht „Musique Electronique“ holen sie gemeinsam mit dem Urgestein Sixten Vait Szenegrößen wie Berghain-DJ Marcel Dettmann oder jüngst Electropunk T.Raumschmiere nach Dresden. Vait hatte „Musique Electronique“ bereits 2010 gegründet. Nachdem das Triebwerk, das Schubert und Schneider bis dato als Heimstatt für ihre Partys diente, 2013 schließen musste, plant das Trio seit dem letzten Jahr gemeinsam.

Mit Geduld und Standfestigkeit

Dabei müssen einige Klippen umschifft werden. „Es ist schon eine Herausforderung, die größeren Acts nach Dresden zu locken“, erklärt Mirko Schubert. „Viele spielen lieber in größeren Städten vor mehr Publikum und natürlich auch für mehr Geld. Mit Geduld, Ehrgeiz und Qualität in der Planung versuchen wir dennoch zu überzeugen.“ Dazu gehört natürlich eine gehörige Portion Geduld und eine ausgeprägte Standfestigkeit.

Immerhin muss bei der Produktion der Nacht nicht nur an die richtigen Künstler, sondern auch an Faktoren wie Dekoration, Soundtechnik, Licht oder an die Security gedacht werden. Die verlässliche Unterstützung von Freunden bei der Vorbereitung haben Schubert und Schneider also bitter nötig. Alleine ist die Veranstaltungsplanung jedenfalls nicht zu stemmen. Zumal beide neben der Veranstaltungstätigkeit einer geregelten Arbeit nachgehen. Alleine vom Partymachen kann schließlich keiner leben. Ob die Nacht finanziell erfolgreich wird, steht und fällt natürlich mit der Anzahl der Gäste. Und diese ist in den seltensten Fällen vorherzusagen. Auch im Umfeld von Mirko Schubert und Sebastian Schneider gab es Bekannte, die versucht haben hauptberuflich zu veranstalten, letztlich aber daran scheiterten. „Deswegen sind wir froh, dass wir bis jetzt unsere normalen Jobs, unsere eigenen Veranstaltungen und das Auflegen unter einen Hut bekommen“ sagt Mirko Schubert. Beide sind regelmäßig mit ihrem eigenen Projekt „T.S.B.i.N“ unterwegs. Als DJ-Team legen sie in ganz Deutschland auf und bereichern selbstredend auch die eigenen Partys mit ihren Sets. Neben den Partys im Sektor Evolution veranstalten die beiden Freunde auch in der Reithalle Klubnächte. Die Entscheidung, welcher DJ zu welchem Klub passt, wird auf Grundlage des Musikstils getroffen. „In der Reithalle bauen wir vorrangig härtere Techno-Acts ein. Auch DJs, die viele Leute ziehen, sind in der Reithalle besser aufgehoben, da man dort den Floor auch noch auf Konzertgröße ändern kann“, sagt Mirko Schubert. „Im Sektor Evolution setzen wir dagegen eher auf Künstler, die ein sanfteres Techno- und Houseverständnis haben“.

Strategische Planung

Tanz-Rausch will aber auch Brücken zwischen den Generationen schlagen. Die älteren Haudegen, die sich bereits in den Neunzigern in Rage tanzten, beklagen nicht selten die fehlende Euphorie heutiger Klubnächte, während jüngere Tänzer mit ganz anderen Rahmenbedingungen aufgewachsen sind. Der Anspruch von Tanz-Rausch war es aber immer, große Partys für möglichst viele Fans der elektronischen Musik zu veranstalten. Deshalb wird bei der Künstlerplanung eine Doppelstrategie gefahren. Einerseits setzt man auf bekanntere aktuelle Künstler, aber auch auf solche, die schon lange in der Technoszene aktiv sind. Mit der Berlinerin Virginia ist am 28. März im Sektor Evolution wieder eine Vertreterin der jüngeren Generation an der Reihe, während zum nächsten Termin in der Reithalle am 16. Mai durchaus wieder ein älterer Haudegen mit von der Partie sein könnte. Doch noch hüllen sich die beiden Partymacher in Schweigen.