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Tausende Würste und Stollen per Post verschickt

Görlitzer Spezialitäten sind in aller Welt gefragt. Nicht nur Bäcker und Fleischer feuen sich.

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© Nikolai Schmidt

Von Frank Seibel

Schlesien schmeckt. Diese Erfahrung macht Peter Stübner schon lange. Mit seinem Café „Lukullus“ in der Peterstraße hat er sich auf schlesische Leckereien spezialisiert und macht damit vor allem viele Touristen froh. Wie froh, das hat er in den vergangenen Wochen noch einmal gemerkt. Mehrere Hundert Pakete mit Mohnstollen hat er mit seinem Team seit November gepackt und buchstäblich in alle Welt verschickt. Ein Paket reiste sogar bis nach Hongkong, freut sich Stübner. Die meisten Kunden, die sich zu Weihnachten Stollen aus Görlitz nach Hause schicken lassen, seien Gäste, die einmal die Stadt besucht und dabei auch das Café in der Altstadt entdeckt haben.

Auch Michael Tschirch hat vor Weihnachten ein paar Hundert Kilo Schlesien mit der Post verschickt. Vor allem seine Liegnitzer Bomben sind ein Knüller zum Fest. Weil die aber recht klein und nicht billig sind, kommen meist noch Kekse und Stollen dazu, damit sich das Porto auch lohnt. „95 Prozent aller Pakete bleiben in Deutschland, sagt der Bäckermeister, der auch Vorsitzender der hiesigen Innung ist. Viele Kunden seien ehemalige Görlitzer, die nach der Wende die Region verlassen haben. Aber auch „alte Schlesier“ gehören dazu, die nicht unmittelbar aus Görlitz stammen. Weil Tschirch weiß, dass er in ihnen dankbare Kunden findet, inseriert er regelmäßig in Schlesier-Zeitungen, die in vielen Regionen Westdeutschlands Abonnenten haben.

Seit acht Jahren ist somit der Weihnachtsversand zum festen Bestandteil des Geschäfts geworden. Vier Wochen lang – jeweils am Mittwoch – stellt Michael Tschirch eine Mitarbeiterin eigens dafür ab, die Pakete fertig zu machen. Mittwoch ist für alle, die Lebensmittel verschicken, offenbar ein guter Zeitpunkt. „Meist kommen die Pakete schon am nächsten Tag an, auf jeden Fall aber vor dem Wochenende“, sagt der Bäckermeister.

Vermutlich war also in den Wochen vor dem Fest der Mittwoch der Tag der Begegnung für Mitarbeiter von Bäckereien und Fleischereien bei der Post. Denn auch Linda Gruske von der gleichnamigen Fleischerei auf dem Obermarkt hatte mit dem Versand der Weihnachtspakete gut zu tun. An die tausend Bratwürste hat sie in den vergangenen Wochen verschickt. Die guten mit Zitrone und Muskat natürlich, denn diese Spezialität gibt es tatsächlich nur in Görlitz und nirgendwo sonst in Deutschland. Gut 70 Pakete hat sie verschickt, manchmal waren bis zu 80 Würste drin. Vielleicht werden die Packungen umso größer, je weiter der Empfänger von Görlitz entfernt ist. In diesem Jahr gingen die Würste auch nach Belgien, Estland und England.

Auch für den Wurstversand vom Obermarkt ist Werbung in anderen Regionen der Welt wichtig. Linda Gruske schaltet aber nicht gezielt Anzeigen, sondern sie hat das Glück, dass auf einer Görlitzer Facebook-Seite diese Weihnachtsbratwürste angepriesen wurden – mit Verweis darauf, dass die Fleischerei Gruske schon seit einigen Jahren Pakete zum Fest verschickt. Durch diesen Tipp bei „Görlitz Insider“ hat sich der Wurstversand mehr als verdoppelt, sagt Linda Gruske. Insgesamt verlassen in der Advents- und Weihnachtszeit etwa 40 000 Würste die Fleischerei, jede vierzigste also in einem Postpaket, gebrüht und frisch eingeschweißt. Auch die Fleischerei Büchner in der Bismarckstraße schickt mittlerweile zu Weihnachten einige Dutzend Pakete mit Wurst und Schinken mit der Post.

Auch flüssige Spezialitäten finden ihren Weg von Görlitz aus durch ganz Europa. Die Landskron Brauerei setzt dafür ihr Internet-Portal ein, über das Kunden in der Ferne Bestellungen aufgeben können. Natürlich gehen Landskron-Biere überwiegend in andere Regionen Deutschlands. Aber in diesem Jahr sind Pakete auch nach Österreich, in die Schweiz, nach Polen, Schweden, Frankreich, Italien und Griechenland verschickt worden, sagt Braumeister und Geschäftsführer Matthias Grall. „Ein Geschäftskunde hat für seine Partner einige Kisten mit nach China genommen.“ Besonders die neueren Erfindungen stehen beim Weihnachtsversand hoch im Kurs: Whisky-Malz und das Ouzo-Bier. Seit Anfang November gehen täglich etwa zwanzig Pakete auf die Reise, sagt Grall. Etwa tausend Flaschen setzt die traditionsreiche Brau-Manufaktur auf diesem Weg ab, Tendenz steigend.

Die Kunden in der Ferne haben heute einen Vorteil gegenüber den Görlitzern. Sie können sich morgens um sechs noch einmal im Bett umdrehen und den Tag gemächlich angehen. Die Görlitzer hingegen machen sich wieder früh auf, um beim Fleischer Schlange zu stehen. Aber das ist ja der zweite Teil der schlesischen Spezialität: das rituelle Frühaufstehen und Schlangestehen. Für Bäcker, Fleischer, Brauer jedenfalls ist der Weihnachtsversand eine wichtige wirtschaftliche Größe geworden.