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Tausende stürmen Bombardier-Werk

6139 Besucher sahen sich beim Tag der offenen Tür im Waggonbau in Bautzen anlässlich des 170. Jubiläums um.

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© Uwe Soeder

Von Carmen Schumann

Ausnahmezustand herrschte am Sonnabend rund um die Bautzener Fabrikstraße. Die Zufahrtsstraßen waren verstopft und Parkplätze nur schwer zu finden. Der Grund war ein erfreulicher: Das Bombardier-Werk lud zum Tag der offenen Tür ein. So etwas kommt nur zu runden Jubiläen vor. Das letzte Mal war es vor zehn Jahren und das vorletzte Mal vor 20 Jahren der Fall. Diesmal blickt der Bautzener Traditionsbetrieb auf sein 170. Jubiläum zurück. Beim Schienenfahrzeugbauer waren und sind Tausende Bautzener beschäftigt. Das spiegelte sich auch darin wider, dass Menschen aller Generationen schon ab 10 Uhr durch das Werktor drängten: Senioren ebenso, wie junge Familien mit Kinderwagen. Viele schlossen sich einer Führung durch die Werkhallen an. Andere erkundeten das Werksgelände individuell. Sehr begehrt waren auch die Fahrten mit einer Straßenbahn auf dem Testring – eine der äußerst seltenen Gelegenheiten, in Bautzen mit einer Straßenbahn zu fahren.

Die Bilder vom Tag der offenen Tür bei Bombardier

Dutzende Bombardier-Mitarbeiter standen an allen Ecken bereit, um die vielen neugierigen Fragen der Besucher zu beantworten. Wie Betriebsratsvorsitzender Gerd Kaczmarek sagte, taten sie dies in ihrer Freizeit. „Und sie machen es gern!“, betonte er. Gerd Kaczmarek sagte, dieser Tag sei ein Tag der Freude. Zum einen wegen der großen Publikumsresonanz, zum anderen aber auch aufgrund der Tatsache, dass von den 100 Leiharbeitern, die zwischenzeitlich freigesetzt werden mussten, 50 wieder eingestellt werden konnten.

Shirts mit Bautzen-Silhouette

Erkennbar waren die Waggonbauer an ihren dunkelblauen Poloshirts mit der Stadtsilhouette von Bautzen und der Produktpalette von Bombardier auf dem Rücken. Zu ihnen gehörte auch Torsten Strzelczyk, Meister in der Endmontage. Die riesige Halle, in der er auf die Fragen der Besucher antwortete, ist sein Arbeitsplatz. Sie ist praktisch das Ende der Fertigungskette, an der die Besucher entlang wandern konnten, vom Blech bis zum Endprodukt. Anders als beim 150. oder 160. Jubiläum waren in der Halle diesmal auch Doppelstockwagen zu bewundern. Bautzen greift damit den Görlitzer Waggonbauern unter die Arme. Torsten Strzelczyk machte die Besucher auf einen besonderen Waggon aufmerksam. „Das ist das erste Fahrzeug, das hier zur Fertigung ansteht, welches wir nach Israel liefern“, sagt der Meister. Die Doppelstockwagen für Israel unterscheiden sich von den Waggons der Deutschen Bahn unter anderem durch die Anordnung der Sitzplätze und der Haltestangen. In der Endmontage-Halle sowie auf dem Freigelände sei die gesamte Produktpalette zu bewundern, von den Doppelstockwagen über Straßenbahnen für Berlin und Essen, sowie U-Bahnen für Frankfurt am Main.

In der großen Endmontage-Halle schaute sich auch Siegfried Röhle um. Der 78-Jährige hat 48 Jahre im Waggonbau gearbeitet. „Ab 1952 hatte ich hier gelernt und 1998 bin ich dann altershalber ausgeschieden“, berichtete der Bautzener. Er erinnerte sich noch ganz genau, dass die große Halle 1992 in Betrieb genommen wurde. „Ich war Obermeister im Ausbau und hatte in der Schlosserei 70 Kollegen unter mir“, sagte der Waggonbau-Senior. Seine schönste Erinnerung an sein Berufsleben sei das halbe Jahr gewesen, das er 1991 in Griechenland zubringen durfte. Für die griechische Eisenbahn hatten er und seine Kollegen nach Bautzener Konstruktionsunterlagen den Prototyp eines Liegewagens hergestellt. Heute erinnert er sich mit Schmunzeln daran, dass ein Auftrag für Ägypten besonders schnell abgearbeitet werden musste, damit die DDR dafür Apfelsinen beziehen konnte. Damals sei es jedoch der blanke Stress gewesen. Als er 1998 privat nach Ägypten reiste, erkannte er einen Bautzener Waggon wieder, allerdings nur noch an den Drehgestellen.

Besondere Beziehung zum Werk

Schöne Erinnerungen an seine Jugendzeit pflegt auch der frühere Bautzener Schauspieler Armin Wagner. „Da ich hier Waggonbauschlosser gelernt habe, verbindet mich eine besondere Beziehung zu diesen heiligen Hallen“, sagte der Mime, der jetzt sein Rentner-Dasein in Obergurig genießt. Sein Lehrer, der sich in der Oberguriger Schule sehr für das Theaterspielen engagierte, hatte ihm trotzdem empfohlen, erst einmal einen „vernünftigen“ Beruf zu lernen. Bei seinem Besuch an seiner alten Wirkungsstätte stellte Armin Wagner fest, dass nicht mehr vieles so ist, wie er es damals kennenlernte. Das ging auch dem Bautzener Heinz Kleber so, der als Schüler seinerzeit den „Unterrichtstag in der Produktion“ (UTP) im Waggonbau hatte.