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Tausende pendeln nach Görlitz

Über 10 000 Menschen kommen zur Arbeit her. Das hat Folgen, etwa auf den Straßen – und bei den Kitaplätzen.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Für Annett Gernhardt ist Pendeln Alltag. Seit acht Jahren fährt die Marketingleiterin der Landskron-Brauerei täglich von Cottbus nach Görlitz, früher ist sie auch mal nach Berlin gependelt. „Es ist alles eine Frage der Organisation“, sagt die Frau, die für die Autofahrt nach Görlitz und zurück rund zwei Stunden einplant. Oft aber nimmt sie auch einfach den Zug. Das Leben mit ihrer Familie in Cottbus macht ihr Spaß, die Arbeit in Görlitz aber auch.

Annett Gernhardt ist eine von insgesamt 11 202 Beschäftigten, die in einem anderen Kreis wohnen, zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aber in den Landkreis Görlitz kommen. Sie sind die sogenannten Einpendler. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten neuen Pendleratlas der Bundesagentur für Arbeit hervor. Andererseits pendeln demnach 18 832 Menschen aus dem Landkreis Görlitz zur Arbeit in einen anderen Kreis. Sie sind die Auspendler. Unter dem Strich hat der Kreis ein Pendlersaldo von 7 630 Menschen, also es fahren mehr Leute weg, als herkommen.

Interessant ist auch ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen für die Stadt Görlitz. Hier arbeiten 21 916 Menschen, darunter 11 763 Nichtpendler und 10 153 Einpendler. Von denen kommt ein Großteil (7 445) aus dem Landkreis Görlitz, die anderen 2 708 von woanders. Andererseits pendeln 5 866 Görlitzer zur Arbeit nach außerhalb, darunter 2 681 innerhalb des Landkreises und 3 185 woandershin. Nach den Zahlen, die die Stadtverwaltung Görlitz mitteilt, ist sowohl die Zahl der Ein- als auch der Auspendler in der Stadt Görlitz von 2012 bis 2016 Jahr für Jahr gestiegen.

Doch was bedeutet das für den Landkreis und die Stadt Görlitz? Wie gehen sie mit den Einpendlern um, von denen viele Parkplätze und manche sogar eine Kinderbetreuung benötigen? Der Landkreis fühlt sich nach Auskunft von Sprecherin Gerlind Walter „in der Sache nicht zuständig“. Zentrale Projekte zu diesem Thema habe der Landkreis auch nicht – bis auf ein paar Pendlerparkplätze. Doch selbst zu denen verrät Gerlind Walter nichts Konkretes.

Aufgeschlossener zeigt sich das Görlitzer Rathaus. Sprecherin Sylvia Otto appelliert daran, die ÖPNV-Angebote zu nutzen, „die bei erkennbarem Bedarf ausbaufähig und erweiterbar sind.“ Weiterhin gebe es Parkplätze an den Endhaltestellen Wendeschleife in Weinhübel und Am Wiesengrund in Königshufen, wo Pendler auf den ÖPNV umsteigen könnten. „Und schließlich stellen die Arbeitgeber je nach Möglichkeit Stellplätze bereit“, sagt sie. Direkte Pendlerstellplätze seien nicht zwangsläufig öffentlich, denn sie sollten den Pendlern einigermaßen Sicherheit bieten, regelmäßig und risikolos einen Stellplatz zu finden. „Demnach wären sie eher privatrechtlich zu erstellen und zu betreiben, was einen entsprechenden Mietpreis einschließen würde – unabhängig davon, ob der Unternehmer ebenfalls ein privater ist oder ob dies die Stadt wäre“, sagt Sylvia Otto.

Kinder aus anderen Gemeinden, deren Eltern täglich nach Görlitz zur Arbeit fahren, haben wie alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schulalter einen Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz, erklärt die Görlitzer Amtsleiterin Petra Zimmermann. Den Eltern stehe frei, einen Kitaplatz auch in einem anderen Ort als der Heimatgemeinde zu beantragen. „In Görlitz haben wir einen hohen Bedarf für Kinder der Stadt Görlitz selbst, sodass geprüft wird, ob überhaupt Plätze bereitgestellt werden können“, sagt die Amtsleiterin. Mit Stand vom 30. Juni wurden in den Görlitzer Kindereinrichtungen rund 120 Kinder aus anderen Gemeinden betreut, etwa 50 Prozent davon in Horten. Ob es dabei Schwierigkeiten gibt oder ob der tatsächliche Bedarf höher ist, teilt das Rathaus aber auch auf Nachfrage nicht mit.

Stattdessen liefert die Stadt noch ein paar andere Zahlen. Von den 10 153 Einpendlern in die Stadt reisen demnach genau 8 756 aus Sachsen an, 216 aus anderen neuen Bundesländern, 304 aus den alten Bundesländern, 46 aus Berlin und 831 aus dem Ausland. Unter Letzteren kommen nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes 808 Leute aus Polen zur Arbeit nach Görlitz, aber nur 15 aus Tschechien. Andererseits fahren von den 5 866 Auspendlern insgesamt 4 544 innerhalb Sachsens zur Arbeit, 346 in die anderen neuen Bundesländer, 841 in die alten Bundesländer und 135 nach Berlin. Anders gesagt: Es fahren nach wie vor weitaus mehr Görlitzer regelmäßig zur Arbeit in den Westen, als umgekehrt Leute von dort nach Görlitz kommen.

Annett Gernhardt hat mit dem Pendeln kein großes Problem, muss sich in Görlitz nicht um die Kinderbetreuung kümmern: Ihr Sohn geht in Cottbus zur Schule, wo auch ihre Eltern leben. Sie können ihn von der Schule abholen. Um einen Parkplatz muss sich Annett Gernhardt in Görlitz auch nicht sorgen: Der Hof der Landskron-Brauerei ist groß genug.Auf ein Wort