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Tausende Euro für tieftraurigen Jungen

Die zweite Versteigerung des Meißner Auktionshauses Efreuna lockt Bieter aus der ganzen Welt an. Japaner geben erneut viel Geld für Porzellan aus.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Eines Tages kommt ein Scheich und nimmt das Klobecken mit“, war sich Frank Händel am Sonnabend bei seiner zweiten Auktion sicher. Die Rede war von einer komplett aus verschiedenen Stücken Meissener Porzellans zusammengesetzten Toilette, bemalt mit bunten Blumenmotiven, zum stolzen Startpreis von 15 500 Euro. Am Ende wollte aber sowohl im Saal als auch per Telefon oder Internet niemand das gute Stück haben. Und das, obwohl Händel versprach, dass man die Kaffeekanne, die sich noch am Ausguss des Beckens befand, ohne Probleme entfernen könne. „Das Becken ist auf jeden Fall zur Benutzung vorgesehen“, schmunzelte der 37-Jährige, der trotz eines hohen Pensums mit weit über 800 zu versteigernden Positionen über Stunden hinweg einen relaxten Eindruck machte, gemütlich einen Tee nach dem anderen schlürfte und auch Zeit fand, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen.

Dabei entwickelten sich im Auktionshaus in der Martinstraße mitunter amüsante Situationen. So sagte auf einmal eine ältere Frau, als gerade ein weibliches Aktbild von Rudolf Tübel aus dem Jahr 1958 unter den Hammer kam: „Das war ich.“ Schlagfertig nahm Frank Händel den Ball auf und meinte mit zwinkerndem Auge: „Können Sie das beweisen?“, was zur allgemeinen Erheiterung beitrug.

Doch obwohl es immer wieder auch derartige Momente gab, ging es natürlich in erster Linie ums Geschäft. Und da zeigte sich einmal mehr, dass das Auktionshaus Efreuna zwar physisch in der Meißner Martinstraße zu Hause ist, das Geschäft aber keinesfalls regional ist, sondern sich über die gesamte Welt erstreckt. „Die meisten Kunden haben wir nicht vor Ort, sondern in ganz Deutschland verteilt sowie international.“ Unter anderem kämen sie aus den USA, China, Russland und Japan, sagte Händel und fügte an: „Gerade Porzellan ist in Japan sehr beliebt. Bei der Auktion im vergangenen Jahr gab es bei einer Deckelvase einen extremen Preisanstieg. Wir sind mit 480 Euro gestartet und haben am Ende 2 000 Euro erzielt.“

Interessanterweise vollzog sich auch am Sonnabend ein ähnliches Schauspiel. Und das erneut mit japanischer Beteiligung. Eine Prunkschale mit Goldrand und naturalistischer Malerei von Professor J.E. Braunsdorf ging mit 430 Euro ins Rennen. Das Saalpublikum verschmähte diese zwar, dafür lagen bereits schriftliche Gebote vor, und am Telefon lieferten sich zwei Bieter geradezu einen Wettstreit. In Schritten von zehn Prozent erreichte der Preis immer neue Höhen, bis schließlich ein japanischer Kunstfreund die Platte für 1 100 Euro ersteigerte.

Schnäppchen bei Weingläsern

Auch sonst wurden die wirklich großen Summen überwiegend von auswärtigen Bietern geboten. Dafür schlugen die Gäste im Saal, die überwiegend der Generation 50 plus angehörten, bei den kleineren Dingen zu. So freute sich eine Dame im reiferen Alter diebisch, als sie ein Set von 18 Weingläsern im Art-déco-Stil von 1930 für gerade einmal zehn Euro mit nach Hause nehmen konnte. „Das ist wirklich ein Schnäppchen“, flüsterte ihre Freundin ihr zu, als das Geschäft unter Dach und Fach war.

Ähnlich war das auch bei schmuckvollen Serviettenringen aus Porzellan, die für 38 Euro den Besitzer wechselten. Neben der Freude über den Erwerb von schönen Gegenständen hatten die Besucher auch Gelegenheit, das eine oder andere hinzuzulernen. So erzählte Frank Händel von dem Maler Oskar Zwintscher, der Ende des 19. Jahrhunderts in einer Künstler-WG auf der Meißner Albrechtsburg lebte und sich dort künstlerisch weiterentwickelte. „Es waren zwar seine entbehrungsreichsten Jahre, die aber künstlerisch ergiebig waren“, so der 37-Jährige.

Zur Auktion stand Zwintschers Bildnis eines Jungen mit tieftraurigem Blick. „Zwintscher war ein Meister der Augenmalerei. Eigentlich wollte ich dieses schöne Bild auf der Titelseite unseres Auktionskataloges platzieren. Aber mein Grafiker hat mir abgeraten, weil sich die Leute sonst nichts anderes mehr angeschaut hätten“, erklärte Händel. Die geforderten 6 500 Euro mochte im mit 35 Besuchern beinahe voll besetzten Saal trotzdem niemand bieten, geschweige denn überbieten. So konnte sich ein schriftlicher Bieter über das melancholische Kunstwerk freuen. Leider ging am Sonnabend nicht jeder Wunsch in Erfüllung. Das musste auch eine Frau erleben, die es auf ein kleines Bildnis von Madame de Pompadour auf Elfenbeinuntergrund abgesehen hatte. Für 25 Euro wurde es dann versteigert, was die Frau bedauerte. Das sei völlig an ihr vorbeigegangen. Dabei hätte sie doch auch 50 Euro für das begehrte Stück gegeben, sagte sie traurig.