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Tausend Tonnen radioaktiver Abfall in Wetro

Eine geplante Lieferung von Bauschutt aus dem AKW Stade sorgt in Sachsen für Aufregung. Dabei ist er schon längst da.

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© Robert Michalk

Von Stefan Schramm

Die Tür an der Einfahrt zur Industrieabfalldeponie Wetro steht offen, doch Schildern zufolge ist das Betreten des Geländes ohne Genehmigung strengstens untersagt. Seit 2011 lagert die P-D Industriegesellschaft in ihrer neuen Deponie „Puschwitzer Feld“ Abfälle ein. Darunter ist auch radioaktives Material aus dem 2003 stillgelegten Atomkraftwerk Stade. Seit Jahren läuft der Abriss des am niedersächsischen Elbufer gelegenen Meilers und seiner Nebengebäude. Ein Teil des dabei angefallenen schwach strahlenden Bauschutts soll am Dienstag zur Deponie in Grumbach bei Dresden gebracht werden, was dort für große Diskussionen sorgt. Nun stellt sich heraus, dass in Wetro bereits mehr als 1.000 Tonnen des Materials lagern. Schon vergangenes Jahr ist die erste Lieferung offenbar unbemerkt von der Öffentlichkeit in der Oberlausitz eingetroffen.

Bei den in Wetro gelagerten Stoffen handele es sich nach Angaben des Energieriesen E.ON, des Haupteigentümers des AKW Stade, beispielsweise um Isoliermaterialien, Kunststoffe, Kabelgranulat oder Bauschutt. Das sächsische Umweltministerium erteilte E.ON für 2013 die Genehmigung, 500 Tonnen dieser Abfälle aus Stade zu liefern, in diesem Jahr dürfen es weitere 555 Tonnen sein. Nach Angaben von Sprecher Frank Meyer bewilligte das Ministerium zudem die Lieferung von zusätzlichen 155 Tonnen durch den Krefelder Nukleartechnikhersteller Siempelkamp.

„Beim Rückbau kerntechnischer Anlagen fallen Stoffe an, die nicht oder nur so geringfügig radioaktiv sind, dass sie entweder dem allgemeinen Stoffkreislauf oder der konventionellen Abfallbeseitigung zugeführt werden können“, erklärt Meyer. Die Strahlenschutzbehörden könnten eine solche Freigabe nur absegnen, wenn die erwartete jährliche Strahlenbelastung für die Anwohner und die Deponiearbeiter zehn Mikrosievert nicht überschreitet. Diese Kriterien seien in Wetro eingehalten worden – insbesondere sei dadurch keine Gefährdung der Bevölkerung zu erwarten.

„Durch die Strahlung der Erde und aus dem Weltall ist der Mensch jährlich einer effektiven Dosis von etwa 2.100 Mikrosievert ausgesetzt“, vergleicht E.ON-Sprecherin Almut Zyweck. Zwar treffe zu, dass das in Wetro gelagerte Material radioaktiv sei – „aber eben in einem Maße, wie Dinge aus unserem täglichen Leben, beispielsweise Granit-Straßenbelag, auch strahlen“, so Zyweck. Weder für Mensch noch für Umwelt gehe von diesen Stoffen eine Gefahr aus.

Für Unmut hatte unter anderem gesorgt, dass Transporte über Hunderte Kilometer die Umwelt belasten. Minister Frank Kupfer (CDU) hatte deshalb seinen niedersächsischen Amtskollegen angeschrieben und die Verantwortung des norddeutschen Landes für derartige Abfälle aus dem Abriss früherer Kernkraftwerke angemahnt. „Eine Beschränkung auf das jeweilige Bundesland sieht das Kreislaufwirtschaftsgesetz bei der Suche nach einer Deponie nicht vor“, entgegnet Almut Zyweck. Die Menge der anzuliefernden Stoffe sei pro Deponie und Jahr begrenzt. Schon deshalb benötige E.ON mehrere Halden, um das Material abzulagern. Ausschlaggebend für deren Auswahl sei, ob sie die Materialien vom Fassungsvermögen her und in der geplanten Zeit aufnehmen können.

Dem Umweltministerium zufolge sind auf der Deponie Wetro keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen bei der Ablagerung von derartigem Bauschutt aus einem AKW erforderlich. Sie verfüge über eine Basisabdichtung, sodass belastete Stoffe nicht in den Untergrund gelangen. „Die angelieferten Abfälle werden nach dem Stand der Technik fachgerecht eingebaut“, versichert Ministeriumssprecher Frank Meyer.

Gibt es keine fachlich begründeten Einwände, seien dem Freistaat die Hände gebunden. „Sachsen hat keine rechtliche Möglichkeit, zulässige Lieferungen von aus Sicht des Strahlenschutzes unbedenklichem Bauschutt auf Deponien in Sachsen zu unterbinden“, erklärt Meyer. Die Freiheit, bestimmte Abfälle zum Beispiel wegen ideologischer Bedenken nicht anzunehmen, habe nur der Deponiebetreiber. Doch bei Unternehmen stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.