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Tatras Feuertaufe

Großschönauer, Zittauer und Neugersdorfer helfen beim größten Brand in der Geschichte des Tagebaues Reichwalde.

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© André Schulze

Von Holger Gutte

Oberlausitz. Da muss etwas Großes passiert sein, sagten sich am Mittwoch gegen 19.30 Uhr Autofahrer, als ihnen auf der B 178 bei Löbau mit Blaulicht Großschönaus neues Tatra-Löschfahrzeug entgegen düste. Eine reichliche Stunde später sollte der Tatra seine erste große Feuertaufe im fast 100 Kilometer entfernten Tagebau Reichwalde bei Boxberg erleben. 240 Einsatzkräfte waren hier mit 48 Löschfahrzeugen und rund 30 Feuerwehren aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz sowie dem Spree-Neiße-Kreis in Brandenburg angerückt, um den größten Brand in der Geschichte des Tagebaues zu bekämpfen – mittendrin auch die Feuerwehren aus Großschönau, Zittau und Neugersdorf.

Ein Blick von den Förderanlagen.
Ein Blick von den Förderanlagen. © André Schulze
Ein Hubschrauber der Bundeswehr füllt seine Wassertonne auf einem nahegelegenen Sportplatz.
Ein Hubschrauber der Bundeswehr füllt seine Wassertonne auf einem nahegelegenen Sportplatz. © Rehle
Die Besatzung des Tanklöschfahrzeugs aus Klitten holt Wasser an einer Zapfstelle vor dem Tagebaugelände Reichwalde.
Die Besatzung des Tanklöschfahrzeugs aus Klitten holt Wasser an einer Zapfstelle vor dem Tagebaugelände Reichwalde. © André Schulze

Auf einer Fläche von zehn mal zehn Meter hatte sich eine Arbeitsebene der Kohleförderung entzündet. Durch stürmische Böen weitete sich das Feuer auf eine Länge von zwei Kilometern aus. Auch das Förderband zum Transport der Kohle war auf einer Länge von 700 Metern betroffen. Vereint gelang es den Brand, noch in den Abendstunden einzudämmen und dann in der Nacht zu löschen.

„Für unser Tatra-Tanklöschfahrzeug war es der erste richtig große Einsatz“, sagt Großschönaus Gemeindewehrleiter Fabian Hälschke. Bisher war das Fahrzeug nur zu kleineren Einsätzen ausgerückt. Das Löschfahrzeug hat ein Fassungsvermögen von 4000 Litern Wasser und 500 Litern Schaum, der mit beigemischt werden kann. Wegen zahlreicher Baustellen ist die dreiköpfige Tatra-Besatzung per Funk über die schnellstmöglichen Umleitungsstrecken gelotst worden. Am Einsatzort ist dann jedes Löschfahrzeug einem Abschnitt zugeteilt worden.

„Das war schon gigantisch. Links eine etwa 15 Meter hohe Glutwand, die sich über zwei Kilometer hinzog und rechts ein brennendes Förderband“, schildert der Gemeindewehrleiter. Dazwischen gab es eine Schneise von etwa 100 bis 200 Meter, in der die Kameraden in den winzig erscheinenden Löschfahrzeugen im Einsatz waren. Mit der Zeit wurde das Gelände immer schlammiger und anspruchsvoller. „Wir sind vornweg gefahren und haben Raum für Raum für die nachfolgenden Fahrzeuge erkämpft“, berichtet Fabian Hälschke. Der Frontwerfer am Tatra lässt sich zum Löschen zum Glück im Fahrerhaus steuern. War der Tatra-Wassertank leer, übernahm das nächste Löschfahrzeug die Aufgabe. Manchmal hatten die Großschönauer den Eindruck, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Mindestens fünfmal haben sie ihren 4 000 Liter-Tank nachgefüllt, schätzt er ein.

Deutschlands erste Tatra-Feuerwehr hat sich auf den Kohlehalden im Tagebau bewährt. „Wir sind froh, dass wir den Tatra haben“, sagt Fabian Hälschke. Bis gegen 1 Uhr sind die Großschönauer am Donnerstag in Reichwalde im Einsatz gewesen. Danach lag noch eine etwa zweistündige Heimfahrt vor ihnen und eine Stunde, um die Technik wieder einsatzbereit zu machen. Und prompt kam am Donnerstag um 8.25 Uhr der nächste Einsatz wegen einer Ölspur in Waltersdorf. Die Wehr ist zwar ausgerückt, aber der Verursacher hatte sich schon zum größten Teil selber gekümmert.

Wahrscheinlich wird die Nachfrage, nach einem Tanklöschfahrzeug, wie es die Großschönauer besitzen, jetzt noch größer werden. Wo das Fahrzeug auftaucht, ist es ein Hingucker. Die Spezialanfertigung ist robust, sehr geländetauglich und mit modernster Technik ausgerüstet. Mehrere Feuerwehren – auch aus dem Landkreis Görlitz – haben sich inzwischen das Tanklöschfahrzeug in Großschönau schon angeschaut. Und eine Feuerwehr in Thüringen, hat sogar eine im Nachbarland bestellt, berichtet Fabian Hälschke. Nach dem Einsatz in Reichwalde sagten ihm viele Kameraden, dass es für sie gut war, mal den Tatra im Einsatz zu sehen. „Das Auto ist ja bekannt wie ein bunter Hund“, sagt er.

In Olbersdorf hat auch Lothar Kunath den Brand verfolgt. .„Schwelbrände hat es bei uns früher auch öfters gegeben“, erinnert er sich. Der heute 79-Jährige ist bis zum letzten Tag der Hauptingenieur im ehemaligen Tagebau Olbersdorf und kurzzeitig sogar Tagebauleiter gewesen. Hauptsächlich an der Ostböschung – die im Bereich vom Ortseingang im Niederdorf bis zur ehemaligen Kirche lag, hat es öfter mal gebrannt. Vor allem die Bewohner des Niederdorfes mussten dann jedes Mal den Qualm und Gestank ertragen. „Da gab es zu DDR-Zeiten manchmal massenhaft Eingaben“, erzählt Lothar Kunath. Einen Brand gab es auch mal in dem Bereich, wo sich heute das „Hotel am See“ befindet. Auf den schwefelhaltigen Kohleflözen auf den Kippen in Olbersdorf kam es schnell zu Selbstentzündungen. „Mit Wasser haben wir das damals aber nicht richtig in den Griff bekommen. Wir kamen auch nicht überall ran“, schildert er. Und Schläuche verlegen ging nicht, weil die viel zu oft verbrannt wären. Wasser war nicht gut bei einem Kohlebrand auf der Olbersdorfer Kippe. Die Braunkohle dort war nicht nur sehr schwefelhaltig, sondern auch kluftig. Mit Wasser hätten wir da auch Sauerstoff in die Hohlräume der Kohle gebracht, schildert der Bergbauingenieur. Deshalb hatte der Tagebau Olbersdorf die Genehmigung erhalten, die Halden immer wieder mal mit einem Lehm-Erde-Gemisch abzudecken. Regelmäßig sind die Kohlezüge damit beladen worden. Die Schienen reichten aber nie bis zum Kippenrand. Deshalb wurden die Wagen mit Hand verkippt und dann mit einer Planierraupe der Boden verschoben.

Fabian Hälschke war am Donnerstagnachmittag wieder im Großschönauer Depot. Eigentlich, um mit Kameraden die 160-Jahrfeier der Wehr am Sonnabend vorzubereiten. Innerlich waren sie aber ständig auf einen neuen Einsatz gefasst. Denn inzwischen brannte es wieder in Reichwalde. Feuerwehren aus dem Kreis Bautzen waren schon wieder ausgerückt. (mit SZ/tc)