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Taten in Brasilien – Haft in Sachsen

Wegen Betruges in 96 Fällen muss ein 28-Jähriger für mehr als sechs Jahre ins Gefängnis. Doch das ist längst noch nicht alles.

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Von Alexander Schneider

Es begann 2011 mit dem Verkauf von 69 Handys, Tablet-PCs und Kameras über Ebay-Kleinanzeigen und steigerte sich 2012 über den Betrieb sogenannter Fake-Shops – auf virtuellen Verkaufsplattformen versprach er 21 gewerblichen Schnäppchenjägern weit größere Handy-Stückzahlen und lieferte wieder nicht. Ab 2013 schließlich drehte der Mann am ganz großen Rad. Er erfand eine Investmentfirma, die mehreren Anlegern Renditen bis zu 25 Prozent versprach. Er ließ Hochglanzbroschüren drucken, drehte ein Werbevideo und schaltete Anzeigen und dergleichen mehr – und nahm mehr als 200 000 Euro ein.

Am Mittwoch wurde der gebürtige Brandenburger Paul Lange am Landgericht Dresden wegen Betruges in 96 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Er hat mehr als 293 000 Euro Schaden verursacht. „Das gesamte Verfahren könnte man mit dem Begriff ,Gier‘ überschreiben“, sagte die Vorsitzende Richterin Beate Ibler-Streetz. Sie meinte nicht allein die Geldgier Langes, der nach der Mittleren Reife eine Malerlehre abgebrochen habe, weil ihm die Entlohnung zu gering war. Sie meinte auch die Gier seiner Opfer, die nur allzu leichtfertig auf seine Versprechen eingegangen waren.

Paul Lange hatte ein umfassendes Geständnis abgelegt und berichtet, wie er vier Jahre in der brasilianischen Großstadt Recife überleben und dabei immer wieder ausgebuffte Betrügereien durchziehen konnte. Er hatte auch Helfer in Deutschland, darunter seine Schwester, einen Freund und eine Sekretärin, die er für Bürodienstleistungen angestellt hatte.

Erst im September 2015 wendete sich das Blatt, und der bereits seit 2011 von der Justiz gesuchte Täter landete in der Auslieferungshaft. 14 Monate dauerte es jedoch, ehe Lange tatsächlich nach Dresden überstellt wurde. Zumindest das könnte sich für ihn nun etwas lohnen. Für jeden verbüßten Hafttag in Recife bekommt er zweieinhalb Hafttage in Sachsen angerechnet, so Ibler-Streetz. Lange hatte zuvor von Morden in seinem Haftpavillon erzählt, in dem er mit 30 Mitgefangenen gesessen habe. „Solche Bedingungen sind ein Verstoß gegen die Menschenrechte“, sagte Verteidigerin Ina Becherer. Ihr Mandant sei wiederholt geschlagen und erpresst worden. Das alles sei Folter. Becherer hatte auf eine Strafe von dreieinhalb Jahren plädiert, Oberstaatsanwalt Silvio Helmert auf sieben Jahre.

Langes Gastspiel in Deutschland – er will wieder zurück zu seiner Verlobten nach Brasilien – ist aber noch lange nicht beendet. Zur neuen Haftstrafe kommt der Widerruf einer einschlägigen alten Jugendstrafe aus dem Jahr 2010. Und in Detmold wartet ein weiteres Verfahren auf Lange – nochmals Fakeshop-Betrug in 152 Fällen, begangen 2012 ebenfalls in Brasilien.