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Tanz ohne Grenzen

Behinderte der Werkstatt in Panschwitz-Kuckau trainieren für ihren großen Auftritt. Jeder Akteur bringt Stärken ein.

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© René Plaul

Von Manuela Paul

Panschwitz-Kuckau. Sandra tänzelt leichtfüßig durch den Raum. Die Arme ausgebreitet, wie Schwingen, im Gesicht ein stolzes Lächeln. Jana dreht sich mit unbändiger Lebensfreude und Isabell geht voll in der Musik auf. Die junge Frau verblüfft mit ihrer ganz eigenen, faszinierenden Leichtigkeit, Geschmeidigkeit und Körperbeherrschung. Von Handicap keine Spur.

Während Mittwochvormittag in der Behindertenwerkstatt des Klosters in Panschwitz-Kuckau fleißig getöpfert, verpackt, sortiert oder montiert wurde, fand im Sportraum unterm Dach ein Tanztraining statt. Bereits zum vierten Mal trafen sich Sandra, Jana, Isabell und ihre Mittänzer, um für ihren großen Auftritt zu üben. In der Ostsächsischen Kunsthalle Pulsnitz, wo Bildhauer Markus Keuler derzeit Skulpturen und Zeichnungen von Menschen mit Down-Syndrom ausstellt, werden sie am 4. September eine Performance gestalten. Die Dresdner Tanzpädagogen Anne Dietrich und Wagner Moreira bereiten die sechs jungen Leute seit Kurzem darauf vor.

Begeisterung und Talent

Die Besonderheit des Projektes ist, dass es nicht darum gehe, etwas Vorgegebenes einzustudieren, sondern das Potenzial der Teilnehmer zu nutzen, zu interagieren, erklärt Tanzlehrerin Anne Dietrich. Weil ihr Kollege bereits etliche künstlerische Projekte mit Behinderten betreute, habe sie den Brasilianer mit ins Boot geholt. Es sei erstaunlich, was die Behinderten künstlerisch und bewegungstechnisch umzusetzen in der Lage sind. „Das wird oft unterschätzt.“ Von der ersten Stunde an seien die sechs Projektteilnehmer begeistert dabei gewesen. Beim Training arbeiten die Tanzlehrer viel mit Improvisation. „Bei dieser Methode gibt es keine falschen Bewegungen“, erklärt Anne Dietrich. Jeder kann sich damit so in die Gruppe einbringen, wie es ihm im Moment möglich ist.

Auch Mittwoch waren Sandra, Jana, Isabell und die anderen eifrig dabei, wenn es hieß, den Raum langsam oder schnell zu durchschreiten, auf dem Boden zu gleiten, ganz klein zu werden, empor zu wachsen, oder paarweise Spiegelbewegungen zu machen. „Die Sensibilität für Musik und Bewegung ist bei den Menschen mit Behinderung oft sehr groß“, weiß Wagner Moreira. Anstrengend sei das Training nicht, sagt Sandra. „Mir macht das Spaß.“ Mittänzerin Jana stimmt dem freudestrahlend zu. Ein bisschen Lampenfieber haben beide. Doch sie sind auch stolz, vortanzen zu dürfen. So wie am Dienstag. Da gab‘s intern schon mal einen kleinen Auftritt vor Publikum.

Tänzer packt die Musik

Auch Werkstattleiter Andreas Oschika ist von den Proben beeindruckt. Er findet es großartig, wie die Tanzpädagogen es schaffen, ihren Schützlingen den zeitgenössischen modernen Tanz nahezubringen und dabei Unsicherheiten abzubauen. Wie sie die Tänzer ermuntern, Unbefangenheit und Freude am mimischen und körperlichen Ausdruck auszuprobieren. Das beflügelt. Alle haben Lust zu tanzen – auch wenn es Unterschiede bei der Tagesform gibt. Peter beispielsweise kämpft die ersten Minuten mit seiner Unlust und schlendert mehr als er tanzt. Doch dann packt ihn die Musik. „Mancher braucht ab und an Ansprache. Aber jeder Akteur bringt sich mit seinen Stärken ein“, lobt Wagner Moreira. Tanz ist ein ideales Mittel, um Leute motorisch und mental zu aktivieren.

Das schöne an dem Tanzprojekt sei, dass es die Teilnehmer nicht mit ihren Behinderungen darstellt, sondern mit ihrem Potenzial, so Andreas Oschika. „Es ist toll, wie die Trainer aus den Leuten das rausholen, was in ihnen steckt und ihnen gleichzeitig hochgeistige Kultur nahebringen.“ Anfangs habe er große Sorge gehabt, dass das Projekt „an den Baum fährt“. Denn eines will der Werkstattleiter auf gar keinen Fall: Dass jemand blamiert oder vorgeführt wird. Inzwischen ist er sicher, dass dies nicht der Fall sein wird. Die Aktion passt perfekt in sein Ziel, das Haus weiter zu öffnen, um vielfältige Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Handicap zu ermöglichen. Seit geraumer Zeit können beispielsweise auch Außenstehende mittwochs in der Werkstatt kreativ werden. „Das wird sehr gut angenommen“

Durch die Kreativwerkstatt sei auch Sabine Schubert vom Pulsnitzer Rietschel-Kulturring auf die Panschwitzer aufmerksam geworden, erzählt der Werkstatt-Chef. Man habe zusammen gesessen und die Idee von der Performance entwickelt, welche übrigens von der Aktion Mensch unterstützt wird. Bei den Besuchern kommt der Tanz möglicherweise unterschiedlich an. Kunst liege ja bekanntlich im Auge des Betrachters. „Ich finde es sehr ergreifend.“