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Tanz der Indianer

Indianerfans aus ganz Europa haben sich in Radebeul getroffen. Ein Wettkampf stand im Mittelpunkt.

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© Christian Juppe

Von Nina Schirmer

Radebeul. Der dumpfe Klang von Trommeln hallt am Sonnabendnachmittag durch die Steinbachstraße. Vor der Lößnitzsporthalle steht ein Mann mit großem Federschmuck auf dem Kopf und Schellen an den Beinen. Neben ihm eine Frau mit geflochtenen Zöpfen und einem Kleid mit langen Fransen. Ist mitten in Radebeul der Wilde Westen ausgebrochen? Fast. Die Leute mit der ungewöhnlichen Kleidung treffen sich zum traditionellen Winter-Powwow.

Kroll Norin ist aus Schweden angereist. Seit seiner Kindheit interessiert er sich für die Indianer.
Kroll Norin ist aus Schweden angereist. Seit seiner Kindheit interessiert er sich für die Indianer. © Christian Juppe
Die aufwendigen Outfits nähen die Teilnehmer selbst. Dahinter steckt monatelange Arbeit.
Die aufwendigen Outfits nähen die Teilnehmer selbst. Dahinter steckt monatelange Arbeit. © Christian Juppe
Die Musiker sitzen im Kreis und schlagen gemeinsam auf eine Trommel. Dazu erklingen indianische Gesänge.
Die Musiker sitzen im Kreis und schlagen gemeinsam auf eine Trommel. Dazu erklingen indianische Gesänge. © Christian Juppe

Das Wort „Powwow“ geht wahrscheinlich auf „powáw“, einem Begriff aus der Sprache des Indianerstamms der Narrangansett zurück. Ursprünglich war damit eine Heilungszeremonie gemeint. Heute ist es ein eher säkulares Fest, bei dem sich verschiedene Stämme treffen und ihre Traditionen pflegen. Bei den meisten Powwows werden Tanzwettbewerbe abgehalten.

Das ist in Radebeul nicht anders. Auch wenn hier keine echten amerikanischen Ureinwohner tanzen, sondern Leute, die von deren Traditionen fasziniert sind. Ein Szenetreff der Indianerfreunde, zu dem mehrere Hundert gekommen sind.

In der Halle ist das Dröhnen der Trommel ohrenbetäubend. Auf einer großen freien Fläche in der Mitte tanzen Männer zu den Schlägen. Ihre Bewegungen sind ein Mix aus Stampfen und Hüpfen. Sie drehen sich immer wieder um die eigene Achse, schleudern Arme und Beine in die Luft, fast so, als wären sie in Trance. Die Männer tragen grüne Kleidung, denn zum „Grasdance“, den sie vollführen, banden sich die Indianer früher Grasbüschel um. Knapp zehn Minuten dauert das Spektakel, dann verstummt die Trommel.

Ein halbes Jahr Detailarbeit

Die Männer verlassen die Tanzfläche in der Hoffnung, dass sie die Jury überzeugt haben. „Die Jury achtet auf das Outfit und darauf, wie man tanzt“, sagt Thomas Bokrant. „Zum Beispiel darf man keinen Schritt mehr machen, wenn die Trommel aufhört.“ Der 49-Jährige ist aus Darmstadt angereist, um beim Tanzwettbewerb dabei zu sein. Er trägt ein grünes Band um den Kopf, an dem ein hoher Federschmuck befestigt ist. Überall an seiner Kleidung baumeln Fransen. Der Stoff ist schmuckvoll mit Perlen verziert.

Als Kostüm sollte man die Kleidung nicht bezeichnen, sagt er. Das wäre abwertend. Denn der Powwow ist keine Faschingsveranstaltung. Es geht darum, die traditionellen Outfits so realistisch wie möglich darzubieten. Thomas Bokrant studiert die Kleidung in amerikanischen Büchern. „Meine Frau beschwert sich immer, wenn der Stubentisch voller Perlen ist“, sagt er. Allein auf einen seiner Moccasins hat er 10 000 Perlen genäht. Ein halbes Jahr saß er daran. Schon in seiner Kindheit war Bokrant von Indianern fasziniert. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich nun auch mit den Tänzen der Ureinwohner. „Ich schaue mir die Schritte immer wieder bei Youtube an und versuche, sie nachzumachen.“

Auf der Tanzfläche hat schon der nächste Wettkampf begonnen. Diesmal treten Frauen in bunten Kleidern mit wilden Drehungen gegeneinander an. Dicht gedrängt in einer Ecke sitzt die Musikgruppe. Vier Männer schlagen auf eine Trommel. Zwei Frauen singen und kreischen dazu ins Mikrofon. Einer der Trommler kommt aus Leipzig. „Die Indianermusik ist eine Herausforderung“, sagt der 26-Jährige. Anders als bei der europäischen Musik wird nicht auf den Takt gesungen, sondern genau dagegen. Alle zwei bis drei Wochen treffen sich die Musiker, die aus fünf verschiedenen Bundesländern kommen, zum Üben.

Winnetou vs. echte Indianer

Ein Mann fällt in der Halle besonders auf. Seine Augenpartie ist mit einem dicken schwarzen Balken geschminkt. Wie einem Irokesen stehen rote Federn über dem langen grauen Haar. Der Mann heißt Kroll Norin und kommt aus Schweden. Für das Szenetreffen ist er extra nach Radebeul angereist. Vor 45 Jahren habe ihm ein Freund in der Schule ein Indianerbuch ausgeliehen, erzählt der 53-Jährige. Seit dem ist er von den Ureinwohnern begeistert.

„Mich hat interessiert, wie das Leben der Indianer wirklich ist“, sagt er. Vor 30 Jahren reiste er das erste Mal zu einem Stamm nach Amerika. Dort stellte er fest, dass die Traditionen der echten Indianer mit denen aus den Winnetou-Büchern wenig zu tun haben.

Karl May spielt beim Powwow in Radebeul trotzdem eine Rolle. Denn das Szenetreffen wird wegen des 175. Geburtstags des Schriftstellers in der Lößnitzstadt veranstaltet. Im nächsten Jahr treffen sich die Indianerfans dann irgendwo anders. Wahrscheinlich tanzen sie auch dann wie in Radebeul bis in die Abendstunden.