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Tanne wird Bäckerskulptur

Der Baum der Familie Kunath in Leppersdorf drohte bei Sturm zu stürzen und musste gefällt werden. Doch nun hat er eine neue Nutzung.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Leppersdorf. Eigentlich begann die Geschichte schon vor etwa 40 Jahren. Sechs Tannenbäume hatte Martin Kunaths Mutter gekauft und verpflanzt. Fünf gediehen prächtig. Einer aber blieb mickrig und die Familie war sich einig: Der wird mal zu Brennholz für den Backofen. Aber Mutter Gudrun Kunath schüttelte den Kopf. „Nur die harten kommen in den Garten“, sagte sie. Weil sie an das Bäumchen glaubte, kam die wachstumsbehinderte Tanne in den Vorgarten von Kunaths Bäckerei in Leppersdorf. Die Tanne sollte später ein romantisches Weihnachtsbild vor der Bäckerei abgeben. Alles war durchdacht – bis die Tanne plötzlich in die Höhe schoss.

All diejenigen, die die Bäckersfrau damals beschmunzelt hatten, schwiegen jetzt erstaunt. Und Gudrun Kunath liebte den Baum seitdem über alles. Zur Weihnachtszeit wurde die Tanne festlich geschmückt. Für einen Bäckermeister, der zur Dresdner Stollenbäcker-Innung gehört, ist romantisches Ambiente schließlich wichtig. So wurde die Tanne Teil des Dorfschmucks, über den sich besonders die Leppersdorfer Kundschaft freute, wenn sie hier einkaufte oder ihren Stollen abholte.

Doch irgendwann war die Tanne über das Dach hinausgewachsen. Nach Unwettern lagen immer mehr Äste am Boden, während sich die Tanne im Wind hin und her bog. Die anfangs stillen Bedenken wurden immer lauter. „Tannen sind für ihr pfahlförmiges Wurzelsystem bekannt. Sie sind kaum sturmresistent“, machten Fachleute klar, die Bäckermeister Martin Kunath extra befragt hatte. Und seit dem Tornado 2010 waren die Menschen ohnehin vorsichtiger geworden. Das Gelände um die Bäckerei ist zudem stark frequentiert. Dieser Gefahr wollte Martin Kunath weder den vorbeifahrenden Autofahrern noch seinen Kunden weiterhin aussetzen.

Letztes Baumstück blieb stehen

Am Familientisch wurde deswegen immer häufiger über Baumfällung gesprochen. Für Gertrud Kunath unvorstellbar. Doch es gab keine Alternativen. Die Gefahr blieb, so lange der Baum steht. So kam der unausweichliche Entschluss: Die Wachauer Feuerwehr schnitt den Baum in mehrere Stücke. Von der Baumkrone wurde sich nach unten vorgearbeitet. Das letzte Baumstück blieb stehen. Aus den Holzresten wollte die Familie Kunath eine Skulptur zu Ehren des Bäckerhandwerks erarbeiten lassen. Im Sommer sollte sie Blumenschmuck tragen und im Winter stimmungsvoll beleuchtet sein. Und auch die Brezel, die im Wappen der sächsischen Innungsbäcker zu sehen ist, sollte zum Tragen kommen.

Eigentlich ist das ein klassischer Fall für die Wachauer Holzkünstlerin Karen Hobelsberger. Die war zu diesem Zeitpunkt aber ausgelastet und gab deshalb dem Bäckermeister die Adresse von Bernd Voigt aus dem erzgebirgischen Zschorlau. Über Pfingsten ging er ans Werk. Als die Leppersdorfer wenige Tage später Semmeln, Brot, Kuchen und Torten kauften, waren sie hoch erfreut. Und wie das auf dem Lande so ist, wird seitdem auch gerätselt, wer für die Skulptur Modell gesessen haben könnte. Vielleicht Martin Kunath selbst? „Beim Schaffensprozess habe ich sein Gesicht schon hin und wieder vor Augen gehabt“, bestätigt Bernd Voigt. Es habe ihm Spaß gemacht, der Tanne eine neue Bedeutung zu geben. Und auch mit dem Wurzelwerk ist sie eng verbunden – denn die Skulptur steht direkt auf dem Baumstumpf.