Merken

„Takeshima gehört uns“

Japan ist das einzige demokratische Industrieland, das mit allen Nachbarn wegen Territorialfragen im Streit liegt. Es geht um Rohstoffe und Fischgründe - und um die gemeinsame Geschichte. Ein Ortsbesuch.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Okinoshima. Toshinaga Hamada ist der Frust anzumerken. „Seit Jahrzehnten haben wir gesagt, bitte gebt uns Takeshima zurück. Aber das bringt uns nicht weiter“, klagt der 67-jährige japanische Fischer. Takeshima, das sind zwei unwirtliche Felsen im Meer zwischen Südkorea und Japan, um die sich beide Nachbarn schon seit Jahrzehnten einen erbitterten Streit liefern.

„Takeshima gehört zu Japan, die Koreaner haben es illegal besetzt“, wettert Kazuhisa Matsuda. Er ist Bürgermeister von Okinoshima in der Provinz Shimane. Im Jahre 1905 hatte Japans Regierung das 158 Kilometer nordwestlich von Okinoshima gelegene Takeshima der Verwaltung von Shimane unterstellt.

Bürgermeister Matsuda ist an diesem Tag mit Hamada, der Chef des örtlichen Fischereiverbands ist, gekommen, um ausländischen Reportern Japans Standpunkt zu erläutern. Dass Südkoreaner nicht dabei sind, verwundert niemanden. Die Botschaft: Die Welt soll wissen, dass Takeshima zu Japan und nicht zu Südkorea gehöre.

Das Problem ist nur: Südkorea behauptet das Gegenteil. Beide Nachbarländer machen historische und geografische Gründe sowie internationales Recht geltend. Seoul gibt sich in dem Konflikt um die Inseln unnachgiebig und nennt sie Dokdo. International wird aus Neutralitätsgründen oft von den Liancourt-Felsen gesprochen; so wurden sie einst von französischen Walfängern genannt.

„Japan hat wiederholt vorgeschlagen, den Fall vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Doch Korea lehnt das ab“, sagt eine Beamtin in Japans Außenministerium. Für Südkorea gibt es keine Territorialfragen, daher gebe es auch nichts zu verhandeln. „Sie sprechen einfach nicht mit uns“, klagt die Beamtin in Tokio.

Es ist nicht der einzige Territorialstreit, den Japan mit seinen Nachbarn führt. Mit Russland streitet sich Tokio um die südlichen Kurilen und mit China und Taiwan um die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer. Bei allen drei Inselgruppen werden große Gasvorkommen vermutet. Und es geht um die reichen Fischgründe.

Während zumindest im Kurilen-Streit beide Seiten miteinander reden und Russlands Präsident Wladimir Putin am 15. Dezember sogar nach Japan kommt, gibt es im Streit mit Südkorea um Takeshima/Dokdo weiterhin keinerlei Fortschritte. Das hat viel mit der gemeinsamen Geschichte der Länder zu tun.

Japan beruft sich darauf, dass es die Felseninseln 1905 als „Terra nullius“, also als unbewohntes Land, in Besitz genommen habe. Damals geriet die koreanische Halbinsel unter japanischen Einfluss, kurz darauf wurde Korea zu Japans Kolonie.

Die Kolonialherrschaft endete erst 1945 mit Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg. Koreaner empfinden Japans Anspruch auf Dokdo denn auch so, als würden die Japaner ihr Land erneut besetzen wollen. Die Inseln seien das erste Opfer der Besetzung Koreas gewesen.

Seit 1986 führen Südkoreas Streitkräfte in den Gewässern um die Felseninseln zweimal im Jahr Übungen durch. Seit 1991 leben nur zwei Menschen dort, Kim Seong Do mit seiner Frau Kim Sin Yeol. 1956 wurde die „Dokdo-Küstenwache“ gegründet. Etwa 40 Mitglieder der Küstenwache verrichteten dort Patrouillendienst, um „gegen das Eindringen äußerer Truppen einschließlich japanischer Patrouillenboote“ gewappnet zu sein, heißt es.

Ungeachtet dessen beharrt Japan auf seinen Anspruch. In der Präfekturverwaltung von Shimane können Besucher Dokumente und Kartenmaterial einsehen, die beweisen sollen: „Takeshima gehört zu Japan.“ Ähnliche Ausstellungen gibt es auch in Südkorea. Dort aber habe man keinerlei Beweise, dass Takeshima je zu Korea gehört hätte, sagt Yasunobu Onishi von der Shimane-Verwaltung.

Auf die Frage, wie eine Lösung aussehen könnte, verweist er stur nach Tokio. „Das ist Aufgabe der Regierung“, sagt Onishi und beklagt, dass es keine Fortschritte gebe. „Selbst wenn wir (von Südkorea) weiter fordern, Takeshima zurückzugeben, glaube ich nicht, dass sie in naher Zukunft einwilligen werden“, sagt der Fischer Hamada. „So können wir das Problem nicht lösen.“

Daher sei es wichtig, erstmal die Beziehungen zu verbessern. Ob die Fischer mit einem Kompromiss einverstanden sein würden, wenn Südkorea weiter die Souveränität über die Felseninseln behielte, Japan aber ermöglicht würde, in dem Gebiet um Takeshima ebenfalls zu fischen, wird Hamada gefragt. Den Fischern, sagt er darauf ohne zu zögern, gehe es um das Fischen und weniger um die Rückgabe der Inseln. „Wir denken, das wäre in Ordnung“, sagt der Japaner. (dpa)