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Syrisch und selbstständig

Zwei Syrer aus Zittau eröffnen an der Berliner Straße in Görlitz einen Laden. Kunden sind nicht nur Muslime.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Matthias Klaus

Na schmeckt’s? Iwan Sulaiman schaut erwartungsvoll auf seine Kundschaft. Oh ja, es schmeckt. Das gefüllte Fladenbrot ist ein Gedicht. Feiner, dünner Teig, würziger Inhalt. „Und alles vegetarisch“, schmunzelt der Mann, der das leckere Essen zubereitet hat. Iwan Sulaiman kommt aus Syrien. Gemeinsam mit seinem Landsmann Abdullatif Alsulaiman hat er in Görlitz ein Geschäft aufgemacht: das Mal Alscham an der Berliner Straße. Wo zuvor ein polnischer Fleischer seine Waren anbot, haben nun zwei Syrer ihr Domizil. Die beiden Inhaber reisen jeden Tag aus Zittau an. Die Syrer wohnen dort, haben Familie. „Aber in Görlitz ist unser Kundenkreis einfach größer“, sagt Iwan Sulaiman.

Schaf, Rind, Geflügel, aber kein Schwein

Er hatte die leeren Geschäftsräume an der Berliner Straße 19 entdeckt. Gemeinsam mit dem Bekannten Abdullatif schmiedete er einen Plan: Wir eröffnen ein Geschäft. Eigentlich, sagt Iwan, ging es ganz leicht. Er rief den Vermieter an, die zwei Syrer unterschrieben Verträge. Anfang des Monats war Eröffnung. „Bisher läuft das Geschäft gut“, schätzt Abdullatif Alsulaiman ein. Besonderen Wert legen die Syrer auf das Fleisch. Angeboten wird Schaf, Rind, Geflügel, kein Schwein. „Bei uns ist alles Halal“, sagt Abdullatif Alsulaiman.

Halal heißt aus dem Arabischen übersetzt so viel wie „erlaubt“ oder „zulässig“. Muslime dürfen demnach Fleisch nur essen, wenn die Tiere nach bestimmten Regeln geschlachtet wurden – ähnlich dem koscheren Fleisch im Judentum. „Wir beziehen unser Fleisch von einem Großhändler aus Berlin“, sagt Abdullatif Alsulaiman. Er geht davon aus, dass dort die Halal-Vorschriften eingehalten werden. „Wir verlassen uns darauf“, sagt der Geschäftsinhaber.

Neben Fleisch sind die Regale in dem Laden an der Berliner Straße gefüllt mit türkisch-arabischen Lebensmitteln. Es gibt hier Tee, natürlich, jede Menge Gewürze, sogar arabischen Kaugummi. „Der schmeckt besonders intensiv, süß und sauer“, lacht Iwan Sulaiman. Das Geschäft an der Berliner Straße wurde in der Vergangenheit von einem polnischen Fleischer betrieben. Die beiden Syrer haben es übernommen, inklusive Ausstattung und Technik, wie beispielsweise der Kühlzelle.

Weder Iwan noch sein Partner Abdullatif sind gelernte Fleischer. Iwan war in Syrien Konditor, in einer Stadt im Nordosten des Landes. Er hatte ein Geschäft für Süßigkeiten. Seit er den Schlüssel im Schloss umdrehte, weiß er nicht, was daraus geworden ist. Seit 2012 ist er mit seiner Familie in Deutschland, mit seiner Frau Reem Kalou, seinen beiden Söhnen. Die Reiseroute führte über die Türkei, Griechenland. Iwan Sulaiman mag die Gegend, vor allem für die Familie sieht er hier Vorteile. „Kein Vergleich mit einer Großstadt wie Berlin“, findet er. Iwans Muttersprache ist kurdisch, er spricht aber auch arabisch, genau wie seine Frau. Die hat inzwischen einen ehrenamtlichen Job, dolmetscht in Flüchtlingsunterkünften in der Gegend.

Genau wie Iwan hat Abdullatif an der Euroschule in Zittau Deutsch gelernt. Abdullatif Alsulaiman ist seit zwei Jahren in Deutschland, ein Jahr war er in Bayern. Gemeinsam mit seiner Frau und fünf Kindern kam er aus Syrien. „Wir sind mit dem Auto losgefahren, über die Türkei, Griechenland“, erzählt er. Der Syrer war in seiner Heimat Unternehmer, hatte eine Fabrik, die sich mit der Bearbeitung von Steinen beschäftigte. Geld hatte er schon vorher im Ausland verdient: Abdullatif Alsulaiman arbeitete zwei Jahre lang als Verkäufer in einem Supermarkt in den USA. Danach ging er nach Syrien zurück.

„Ich möchte arbeiten“

Die Familie wohnte in einer Stadt nahe Aleppo. „Und dann auch noch in der Nähe des Flughafens. Da gab es am Ende immer wieder Probleme“, erzählt er. Ob nun der sogenannte Islamische Staat oder die Truppen des syrischen Machthabers Assad – es sei am Ende egal gewesen. „Es war einfach alles kaputt“, erinnert sich der Mann aus Syrien. Deshalb packte er das Auto voll und floh mit der Familie Richtung Deutschland. Nun hoffen die beiden Syrer aus Zittau auf einen Neuanfang in Görlitz. Jeden Tag kommen sie mit dem Auto an die Berliner Straße. Beide haben den deutschen Führerschein. „Ich will nicht Zuhause sitzen und nichts machen. Ich möchte arbeiten“, sagt Iwan Sulaiman.

Er brutzelt am Herd inzwischen eine Falafel. Zwar nichts, was er als Süßigkeiten-Experte in Syrien gemacht hat, aber immerhin. Der Imbiss, er soll neben dem Verkauf ein zweites Standbein des Geschäfts der beiden Syrer werden. „Wenn es weiterhin gut läuft, machen wir vielleicht auch einen zweiten Laden in Zittau auf“, sagt Geschäftsmann Alsulaiman. Die Kunden im Mal Alscham kommen aus Syrien, Afghanistan – aber auch aus Deutschland. „Es kommen viele Görlitzer zu uns, manche sind einfach nur neugierig, andere wissen schon genau, was sie hier kaufen wollen“, sagt Abdullatif Alsulaiman.