Merken

Süße Schule

Dreisprachig ist Kira Rohloff in Namibia aufgewachsen. Nun macht sie in Königshain eine Ausbildung zur Konditorin.

Teilen
Folgen
NEU!
© C. Junghanß

Constanze Junghanß

Dass Kira aus Namibia kommt, sieht man der jungen Frau nicht an. Geflochtener Blondzopf, helle Haut. Die 20-Jährige spricht perfektes Deutsch. Nur ein winziger Slang ist herauszuhören. Dabei lebt Kira Rohloff erst seit etwa einem Jahr in Königshain bei Anemone Müller-Großmann. Als die Eltern der Betreiberin vom Cafe CaRé Namibia besuchten, lernten sie Kiras Familie kennen. Das war in Swakopmund, wo Vater Rohloff einen Schmuckladen betreibt.

Kontakte zwischen der afrikanischen und der Oberlausitzer Familie wurden geknüpft und für Kira stand schnell fest: Sie möchte das über 8 000 Kilometer Luftlinie entfernte Deutschland selbst kennenlernen. „Mein Vater wanderte vor vielen Jahren aus Deutschland aus, heiratete meine Mutter – eine Südafrikanerin“, erzählt sie. Etwa 100 000 Menschen sprechen heute in Namibia deutsch, 20 000 davon gelten als deutschstämmig. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war das Land deutsche Kolonie. 1920 stellte der Völkerbund Namibia unter südafrikanisches Mandat. Seit 1990 ist das Land unabhängig.

Kira und ihr drei Jahre älterer Bruder wurden in Namibia geboren. So steht es auch in ihrem Pass. Ihr Zuhause auf dem fernen Kontinent: eine etwas abgelegene Farm mit 40 Hektar Land mitten in der Wüste in dem dünn besiedelten Gebiet. „Namibia ist zweieinhalbmal so groß wie Deutschland, hat aber nur rund zwei Millionen Einwohner“, sagt die Afrikanerin. Zum Vergleich: In Deutschland leben rund 80 Millionen Menschen.

Und nun wohnt die Frau aus Namibia in Königshain. Kiras Blick schweift zum Fenster. Auch da ist die Weite greifbar und die Stille. Wiesen und Felder, Hügellandschaften mit Kühen dazwischen. Wohl fühlt sie sich bei ihrer Gastfamilie und bereut es kein bisschen, ihrer Heimat für einige Zeit den Rücken gekehrt zu haben. Denn hier verwirklicht sie ihren großen Traum. Eine Ausbildung zur Konditorin ist das. „Bei uns gibt es zwar Universitäten im Land und man kann studieren. Aber man hat dort keine Möglichkeiten der dualen Berufsausbildung“, erzählt sie. „Lernen durch Handeln ist in Namibia die geläufigste Ausbildungsform. Für Kira, die einen englischen Abiturabschluss hat und neben Deutsch Afrikaans und Englisch perfekt beherrscht, war das nichts Passendes. Sie wollte mehr.

Bereits als kleines Mädchen ging sie der Mutter zur Hand beim Törtchengestalten, Kuchenbacken und Verzieren von Keksen. Die Kreativität des Berufs sei verlockend. Und der Duft der Zutaten ebenso. Ein eigenes Café soll in Swakopmund einmal aufgebaut werden. In der Stadt, die in etwa so viele Einwohner wie Görlitz hat und am Meer liegt, wird also irgendwann Gebäckkunst mit einem Touch Oberlausitzer Ursprungskönnen präsentiert.

Anemone Müller-Großmann ist stolz auf ihren Lehrling. Am BSZ Görlitz gab es nun die ersten Zeugnisse. Kira kann einen Notendurchschnitt von 1,2 vorweisen. Drei Jahre dauert die Ausbildung insgesamt. Nun geht es mit der Schule an einigen Tagen die Woche in Dresden weiter. Das Praktische von der Gestaltung der feinsten Praline bis hin zum Verzieren der Torten wird weiter im Cafe CaRé gelernt. Auf Dresden freut sich die Namibierin, hofft, dort mehr Kontakte knüpfen zu können.

„Hier ist das nicht so einfach, obwohl Görlitz und Umgebung wunderschön sind“, sagt sie. Ihr sei aufgefallen, dass Rassismus in manchen Gesprächen eine nicht unerhebliche Rolle spiele. „Darüber rege ich mich auf, habe öfter meine Meinung gesagt, da ich das nicht in Ordnung finde.“ Durch die Apartheid sei Rassismus auch in ihrem Heimatland immer wieder ein Thema. Trotzdem will Kira Rohloff wieder zurück. Sie will die Idee von einem eigenen Café verwirklichen und vorher noch einen Teil der Welt erkunden. In Budapest hat sie sich schon umgeschaut. Berlin und Helsinki sollen folgen. Nach der Ausbildung steht ein weiterer Traum auf der Wunschliste: ein Kunststudium.

Kunst und Konditor: Das passe gut zusammen und beides könne später in einem Lokal in Afrika einen Weg zusammenfinden. Pläne sind also geschmiedet. Doch wie sieht es mit dem Heimweh aus? Kira überlegt. Ihre Familie und ihre Pferde vermisse sie schon. Doch in Deutschland zu sein, habe sie bisher nicht bereut, zumal ihre Gastfamilie immer liebevoll für sie da ist.