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Sucht als Sehnsucht

Gabriele Wolfsteller aus Pirna schreibt ihre Lebensgeschichte auf. Dafür gibt es Gründe.

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© Katja Frohberg

Von Mareike Huisinga

Pirna. Es ist keine schöne Geschichte mit einem Happy End. Keine Liebesromanze, wo am Schluss Held und Heldin für immer glücklich zusammenkommen. In dem Buch geht es um Süchte, um Leid, um Enttäuschung, um Täuschung und um Lösungswege. Es ist eine ehrliche Geschichte, die Gabriele Wolfsteller aus Pirna in einem Buch aufgeschrieben hat und das jetzt veröffentlicht wird. Den Titel hat die 49-Jährige gut gewählt. Er lautet „Sehn-Sucht“. Gabriele Wolfsteller erzählt das schwierige Leben der jungen Anne, die mit 19 ihr erstes Kind bekommt und mit 21 Jahren ihren Freund und Kindsvater heiraten möchte. Vier Wochen vor der Hochzeit wird sie von ihm verlassen. Ein Schock. Aus Rache heiratet Anne einige Monate später einen anderen Mann. Die Gefühle für ihn? Sie fehlen. „So verbaut sie sich ihr Leben“, berichtet die Autorin. Anne wird tablettensüchtig und verfällt in tiefe Depressionen, die zuerst von ihrer Umwelt nicht wahrgenommen werden. Im Extremfall schafft sie es nicht, die Ofenheizung anzufeuern, obwohl ihre zwei kleinen Kinder im Raum sind und frieren. Was folgt, sind schwere Selbstvorwürfe. Um sich zu bestrafen, lehnt sie Nahrung ab und wird magersüchtig. Ein Teufelskreis.

Erst als sie zwangseingewiesen werden soll, macht Anne bei einer Therapie mit und wacht auf. Sie sucht sich eine Arbeit, trennt sich von ihrem Mann und zieht in eine eigene Wohnung. Das Ende lässt Gabriele Wolfsteller offen. „Der Leser erfährt nicht, ob Anne wieder in die Magersucht verfällt oder ob sie es geschafft hat“, sagt die Pirnaerin.

Eigene dramatische Erlebnisse verarbeitet

Die Autorin ist nahe an ihrer Hauptfigur dran, denn mit der Erzählung schreibt Gabriele Wolfsteller in vielen Zügen ihre eigene Lebensgeschichte nieder. Deshalb wählt sie auch folgerichtig die Ich-Form des Erzählens und hat das Buch unter dem Pseudonym Anne Wolf veröffentlicht. Schreiben ist für sie eine Art der Therapie. Mit dem Verfassen des Buches konnte sie ihre eigenen dramatischen Erlebnisse verarbeiten. „Vieles ist mir klarer geworden, ich konnte mich selber besser verstehen“, sagt Gabriele Wolfsteller.

Aber sie hat für ihre Leser auch eine Botschaft. Aus Gesprächen mit anderen weiß sie, dass die Betroffenen oftmals ihre Süchte verschweigen. Jahrelang habe sie selber versucht, ihre psychische Krankheit mit körperlichen Krankheiten gegenüber Dritten zu deckeln. Unter anderem auch aus Scham. Ein falsches Schweigen. „Es ist wichtig, sich anderen zu öffnen, um somit professionelle Hilfe zu bekommen“, weiß Wolfsteller.

Autorenlesung geplant

Im Gegensatz zu ihrer Anne sagt sie heute: „Mir geht es gut.“ Sie habe gelernt, dass sie mit Medikamenteneinnahme ihre Depressionen im Griff hat. Eine Verteufelung von Antidepressiva kann sie nicht nachvollziehen. Im Gegenteil. „Ich hätte mir gewünscht, mein Arzt hätte mir schon früher solche Mittel verschrieben.“ Zwar ist sie aufgrund der Folgen ihrer Süchte erwerbsunfähig, wird sich aber zeitnah einen Job auf 450-Euro-Basis besorgen. „Den ganzen Tag nur zu Hause zu sein, ist nichts für mich“, betont sie.

Außerdem möchte sie gerne für ihr Buch Sehn-Sucht werben. Mit der Stadtbibliothek Pirna hat sie bereits telefoniert. Den Vorschlag, dass sie das Buch in einer Lesung vorstellt, stieß auf Gefallen. „Aber die Autorenlesung kann erst im nächsten Frühjahr stattfinden, weil momentan noch viele andere Veranstaltungen auf dem Plan der Bücherei stehen“, sagt Gabriele Wolfsteller.

Bei ihrem Erstlingswerk soll es übrigens nicht bleiben. Derzeit arbeitet sie an einem zweiten Buch. Zum konkreten Inhalt möchte sie noch nichts verraten. Nur so viel: „Es geht um Liebe und um zwischenmenschliche Beziehungen.“

Das Buch Sehn-Sucht von Anne Wolf ist in der Buchhandlung Gladrow in der Dohnaischen Straße 78 in Pirna erhältlich. Es kostet 14,90 Euro und ist im Projekte Verlag Jena erschienen.